Kurzer Abriss der Geschichte der Burschenschaft Hannovera

Vorbemerkung

Zur Geschichte der Burschenschaft Hannovera wird auf drei Veröffentlichungen verwiesen, die weitgehend die Grundlage für den nachfolgenden Abriss bilden:

Carl Römpler: Versuch einer Geschichte der Burschenschaft Hannovera zu Göttingen, Göttingen, Dieterich, 1897

Theo Lampmann: Geschichte der Burschenschaft Hannovera-Göttingen seit Anfang der neunziger Jahre bis 1928, Hannover, C. V. Engelhard & Co., 1928

Henning Tegtmeyer: Geschichte der Burschenschaft Hannovera 1928 bis 1945, Hilden, WJK Verlag, 2009, ISBN 3-940891-28-0


Die Gründung der Verbindung

Nach Ausbruch der Februarrevolution in Paris 1848 setzte auch in vielen Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes eine revolutionäre Bewegung ein, der die regierenden Fürsten anfangs zwar mit polizeilichen und militärischen Mitteln begegneten, dann jedoch sehr schnell ihre bisherigen Kabinette entließen und den aufgebrachten Bürgern gegenüber Zugeständnisse machten. Bekanntermaßen kam es am 18. Mai 1848 zur Eröffnung der Deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt am Main, der viele ehemalige Burschenschafter aus der Zeit nach 1815 angehörten.

Das Königreich Hannover machte im Vergleich zu anderen deutschen Staaten insoweit keine grundsätzliche Ausnahme. Als in Göttingen Mitte März 1848 der Ruf von Bürgern, Professoren und Studenten nach mehr Freiheit immer lauter wurde, gab es Konflikte zwischen Polizei und Studenten, die trotz bestehender Verbote plötzlich in der Öffentlichkeit die Farben ihrer Verbindungen trugen und lange Pfeifen rauchten. Zur Unterstützung der Polizei wurde Kavallerie nach Göttingen verlegt. Das führte dazu, dass die Studenten aus Göttingen auszogen und erklärten, sie würden erst wieder zurückkehren, wenn etliche Forderungen nach staatsrechtlichen Reformen erfolgt seien. Der König von Hannover sah sich veranlasst, nunmehr u. a. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu gewähren. Die Studenten, die ihre Universitätsstadt verlassen hatten, wurden am 1. Mai 1848 in Northeim durch eine Delegation aus Bürgern und Professoren abgeholt und in einem Festzug nach Göttingen geleitet. Es folgte eine feierliche Begrüßung durch den Magistrat und die Universität. Abends fand ein Kommers statt mit Festreden auf das deutsche Vaterland, auf die Studenten, die Universität und die Bürgerschaft.

Beginnend ab 1845 bestand ein Freundeskreis von in Göttingen studierenden Absolventen des Lyzeums in Hannover. Man traf sich im Semester wöchentlich in einer Gaststätte vor dem Weender Tor, doch sah man von der Gründung einer Verbindung ab, weil man sich dem von der Universität abverlangten Ehrenwort verpflichtet fühlte, nicht gegen das staatliche Verbot zu verstoßen, eine Korporation zu bilden. Da das Vereinigungsverbot 1848 entfallen war, entschloss man sich zur Gründung einer studentischen Verbindung. Der Freundeskreis nahm an dem Kommers teil; anwesend war auch ihr väterlicher und geistiger Mentor Prof. Dr. Emil Herrmann, Ordinarius für Straf- und Kirchenrecht an der Georgia Augusta, der nach Gründung der Hannovera ihr erstes Ehrenmitglied wurde. Am folgenden Tag fand der erste Konvent der Vereinigung statt, man beschloss, den Namen „Hannovera“ anzunehmen. Dem Universitätsgericht zeigte man die Gründung an. Das war notwendig, denn es bestand die Universitätsgerichtsbarkeit, der studentische Angelegenheiten oblagen. In den folgenden Tagen befasste man sich mit der Abfassung eines Grundsatzprogramms. Man wählte die Farben „grün-weiß-rot“ aus und gab sich den Wahlspruch „Freiheit durch Einigkeit“. Die inhaltliche Ausrichtung der Hannovera war ganz überwiegend von Ideen der Progressbewegung beeinflusst, die in Deutschland unter Studenten und dem aufgeklärten Bürgertum nach der Julirevolution von 1830 in Frankreich entstanden war.

Damit rückten einige Forderungen der Urburschenschaft von 1815 in den Hintergrund. Zwar wurde immer noch ein geeintes deutsches Vaterland gefordert, aber gerade die Studenten verlangten u. a. eine freie Studentenschaft als ein organisches Ganzes, in der jeder Studierende ohne Ansehen von Herkunft oder Stand mitwirken sollte. Ziel sei es demnach nicht allein, während der Studienjahre die notwendigen Fachkenntnisse für den späteren Beruf zu erlangen, sondern zu einer Persönlichkeit heranzureifen. Gefordert wurde daher die Abschaffung der Universitätsgerichtsbarkeit sowie die Beendigung des von den Corps beanspruchten Prinzips, dass sie zur Führung der Studentenschaft berufen seien.

Darüber hinaus wurde Wert auf die Ehrenhaftigkeit des Einzelnen gelegt, wobei für erfolgte Ehrverletzungen das sofortige Duell verworfen wurde. Stattdessen sollte ein Ehrengerichtsverfahren erfolgen, allerdings blieb offen, ob bei einer entsprechenden Entscheidung des Ehrengerichts auch Satisfaktion mit der Waffe gegeben werden musste.

Nach einem Besuch der Burg Hardenberg durch die Mitglieder der Hannovera am 13. Mai 1848 fand im Gasthaus Schmidt in Nörten ein feierlicher Kommers statt, auf dem zum ersten Mal die Farben öffentlich getragen wurden. Dieser Tag gilt daher als Gründungstag der Verbindung Hannovera.

Die Zeit bis 1861

In den ersten Jahren hatten die Hannovera regen Zulauf. Mit anderen Progressverbindungen in Göttingen versuchte sie, eine allgemeine Regelung über das Ehrengerichtsverfahren zu erreichen, was am Widerstand der Corps scheiterte. Sie war bestrebt, Kontakte zu Verbindungen an anderen Universitäten zu schließen. Zum zweiten Wartburgfest Pfingsten 1848 wanderten etwa 20 Mitglieder der Hannovera nach Eisenach.

Auf ersten Zusammenschlüssen von Progressverbindungen aus mehreren Universitätsstädten wandte sich Hannovera erfolgreich gegen die Einführung altburschenschaftlicher Prinzipien und der Beschlussfassung über allgemeine politische Forderungen. Auch schloss man Freundschaftsbündnisse mit Verbindungen von anderen Universitäten, doch all das war vielfach nicht von langer Dauer, denn mit jeder neuen Aktivitas kamen nicht nur neue Personen in die Führung des Bundes, manchmal setzten sich auch neue Überlegungen durch. Was eigentlich ständig blieb, war das gespannte Verhältnis zu den Corps in Göttingen und gelegentliche Streitereien unter den Progressverbindungen an der Georgia Augusta.

Beginnend ab 1845 bestand ein Freundeskreis von in Göttingen studierenden Absolventen des Lyzeums in Hannover. Man traf sich im Semester wöchentlich in einer Gaststätte vor dem Weender Tor, doch sah man von der Gründung einer Verbindung ab, weil man sich dem von der Universität abverlangten Ehrenwort verpflichtet fühlte, nicht gegen das staatliche Verbot zu verstoßen, eine Korporation zu bilden. Da das Vereinigungsverbot 1848 entfallen war, entschloss man sich zur Gründung einer studentischen Verbindung. Der Freundeskreis nahm an dem Kommers teil; anwesend war auch ihr väterlicher und geistiger Mentor Prof. Dr. Emil Herrmann, Ordinarius für Straf- und Kirchenrecht an der Georgia Augusta, der nach Gründung der Hannovera ihr erstes Ehrenmitglied wurde. Am folgenden Tag fand der erste Konvent der Vereinigung statt, man beschloss, den Namen „Hannovera“ anzunehmen. Dem Universitätsgericht zeigte man die Gründung an. Das war notwendig, denn es bestand die Universitätsgerichtsbarkeit, der studentische Angelegenheiten oblagen. In den folgenden Tagen befasste man sich mit der Abfassung eines Grundsatzprogramms. Man wählte die Farben „grün-weiß-rot“ aus und gab sich den Wahlspruch „Freiheit durch Einigkeit“. Die inhaltliche Ausrichtung der Hannovera war ganz überwiegend von Ideen der Progressbewegung beeinflusst, die in Deutschland unter Studenten und dem aufgeklärten Bürgertum nach der Julirevolution von 1830 in Frankreich entstanden war. Damit rückten einige Forderungen der Urburschenschaft von 1815 in den Hintergrund. Zwar wurde immer noch ein geeintes deutsches Vaterland gefordert, aber gerade die Studenten verlangten u. a. eine freie Studentenschaft als ein organisches Ganzes, in der jeder Studierende ohne Ansehen von Herkunft oder Stand mitwirken sollte. Ziel sei es demnach nicht allein, während der Studienjahre die notwendigen Fachkenntnisse für den späteren Beruf zu erlangen, sondern zu einer Persönlichkeit heranzureifen. Gefordert wurde daher die Abschaffung der Universitätsgerichtsbarkeit sowie die Beendigung des von den Corps beanspruchten Prinzips, dass sie zur Führung der Studentenschaft berufen seien. Darüber hinaus wurde Wert auf die Ehrenhaftigkeit des Einzelnen gelegt, wobei für erfolgte Ehrverletzungen das sofortige Duell verworfen wurde. Stattdessen sollte ein Ehrengerichtsverfahren erfolgen, allerdings blieb offen, ob bei einer entsprechenden Entscheidung des Ehrengerichts auch Satisfaktion mit der Waffe gegeben werden musste.

Am gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Göttingen nahm die Hannovera rege teil. Zur Karnevalszeit 1849 wurde unter Führung der Hannovera von Studenten aus Göttingen ein Umzug mit einer Vielzahl von Pferdewagen veranstaltet, auf denen man lustige Motive darstellte. So etwas hatte die alte Musenstadt noch nicht erlebt, und das sorgte lange Zeit für Gesprächsstoff. Einen Höhepunkt insbesondere für die Hannovera waren die Konzerte, die die schwedische Sopranvirtuosin Jenny Lind, genannt die „Schwedische Nachtigall“, im Februar 1852 in Göttingen gab. Da einige ihrer Mitglieder den Akademischen Musikdirektor kannten, war es ihnen gestattet, an der Organisation des Gastspiels mitzuwirken. So kam es zu der ersten Begegnung mit der Sängerin. Wie überall waren die Besucher der Konzerte von ihrem Gesang begeistert. Bei ihrer Rückreise nach Hannover gaben ihr die Hannoveraner ein Komitat (Geleit) bis Northeim. Dort wurde in einem Gasthof eingekehrt, Jenny Lind sang noch einige Lieder, die Hannoveraner antworteten mit einen Studentenlied. Nach einem herzlichen Abschied beschlossen die Hannoveraner, sie zum Ehrenmitglied zu ernennen und übersandten ihr das grün-weiß-rote Band mit den Unterschriften all ihrer Mitglieder. Sie bedankte sich und versprach, dies Band bis an ihr Lebensende zu verwahren, was sie auch tat. Jenny Lind ist damit die einzige Frau, die jemals Mitglied einer Burschenschaft in der Deutschen Burschenschaft war.

Die Zeit bis 1878

Im Laufe der Jahre wurde die Zahl der Mitglieder der Hannovera immer stärker, die mehr den Prinzipien der Burschenschaft und der unbedingten Genugtuung zuneigten als den Ideen des Progresses. Nach langwierigen Debatten kam es im Wintersemester 1861/62 zu einer Verfassungsänderung: Man nannte sich fortan Burschenschaft Hannovera und gab der Forderung nach unbedingter Genugtuung statt, wenn das Ehrengericht die Austragung eines Duells zuließ. Bestrebungen, gleichgesinnte Burschenschaften an anderen Universitäten zu finden, waren erfolgreich. 1869 kam es zur Bildung des Grün-weiß-roten Kartells (GWRK), zu dem sich die Burschenschaften Hannovera Göttingen, Germania Jena und Frankonia Heidelberg zusammenschlossen. Das Kartell betrachtete sich als eine Vereinigung der Mitte im Bereich der Burschenschaften, bei denen es Gruppierungen mit unterschiedlichen Standpunkten gab. Im November 1874 rief das GWRK die Burschenschaften zu einer Versammlung nach Eisenach ein, auf der der Eisenacher-Deputierten-Konvent gegründet wurde, einem Vorläufer des Allgemeine-Deputierten-Convent (ADC), der 1881 auf einer Tagung in Eisenach entstand, die auf Veranlassung der drei jenaischen Burschenschaften stattfand. 1902 wurde der Name Deutsche Burschenschaft angenommen.

Der Deutsche Krieg von 1866 mit der Folge, dass das Königreich Hannover von Preußen annektiert wurde, hatte keine nachhaltigen Folgen für die Hannovera. Am Krieg 1870/71 nahmen einige Aktive, von denen zwei in Frankreich ihr Leben verloren, sowie etliche jüngere Alte Herren teil. Die Gründung des Deutschen Reiches und die Reichsverfassung, die das allgemeine gleiche Stimmrecht zur Wahl des Reichstages vorsah, führte auch in burschenschaftlichen Kreisen zu der Überzeugung, dass sich wesentliche Bereiche der burschenschaftlichen Forderungen von 1815 erfüllt hatten, obwohl mancher Burschenschafter von früher ganz bestimmt Vorstellungen vom einigen Vaterland und von einer Demokratie gehabt hatte, die den Gegebenheiten zur Bismarckzeit keineswegs entsprachen.

Die Hannovera war Anfang der 70ger Jahre personell nicht besonders stark und in Göttingen isoliert. Es kamen einige Kartellbrüder aus Heidelberg nach Göttingen, die dort erfolglos versucht hatten, die Frankonia in ein Corps umzuwandeln. In Göttingen hatten sie mehr Glück. Anfang November 1878 wurde aus der Burschenschaft Hannovera das Corps Hansea mit den Farben grün-weiß-rot und weißen Atlasseidenstürmern. Allerdings hatten sich die Protagonisten in einem Punkt ordentlich verschätzt: Noch nicht einmal alle Aktiven und Inaktiven vollzogen den Übertritt zum Corps Hansea. Von den Alten Herren waren nur 13 bereit, in das neue Corps einzutreten; drei von ihnen kehrten später in die Reihen der Hannovera zurück. Das Corps Hansea hatte nur wenige Mitglieder und existierte ab 1882 nicht mehr.

Rekonstituierung 1884 und die Jahre danach

Zu Jahresbeginn 1884 gab es in Göttingen die Burschenschaften Bunsviga und Alemannia; Erstgenannte wurde jedoch im März 1884 suspendiert. Da Alemannia nicht die alleinige Burschenschaft an der Georgia Augusta sein wollte, entschloss sie sich, die Hannovera zu rekonstituieren. Zwei ihrer Mitglieder sowie vier in Göttingen studierende Burschenschafter von anderen Universitäten fanden sich zusammen und begründeten die Hannovera aufs Neue, die bald darauf Mitglied im ADC wurde, dem damaligen burschenschaftlichen Dachverband. Fast Alte Herren der Hannovera aus früherer Zeit traten wieder ein. 1893 kam es zur Bildung einer Altherrenkasse. Auf freiwilliger Grundlage konnten Alte Herren beitreten und einen Beitrag leisten, den sie selbst festsetzten. Die eingezahlten Beträge dienten der finanziellen Unterstützung der Aktivitas.

Hannovera unterschied sich in jener Zeit von anderen schlagenden und farben-tragenden Korporationen nicht. Man pflegte ein fröhliches Studentenleben, und da der monatliche Wechsel hierfür oft nicht reichte, lebte man – damals durchaus üblich – eben „auf Pump“. Das Fechten spielte eine große Rolle; Streitigkeiten mit anderen Burschenschaften führten oft zu so genannten PP-Suiten.

Im WS 1902/03 wurde die Hannovera von der Universität Göttingen für den Rest des Semesters und das folgende Sommersemester vorübergehend verboten. Grund hierfür war nach Auffassung des Senats der Georgia Augusta die Handhabung eines in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Streitfalles, den die Aktivitas mit einem nichtkorporierten Studenten hatte.
Da die Aktivitas einige Verbindlichkeiten gegenüber Gastwirten bzw. Lieferanten in Göttingen und Umgebung hatte, beschlossen Aktivitas und Altherrenausschuss, den aktiven Bund nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder zu eröffnen, sondern erst dann, wenn die Schulden abgetragen seien. Den hierfür benötigten Zeitraum hatte man offensichtlich unterschätzt, denn bis 1906 war man mit der Tilgung befasst. Danach war die Hannovera nicht mehr in der Lage, von sich aus eine Aktivitas zu rekonstituieren.

Wiedereröffnung 1906 und die Zeit bis zum Kriegsausbruch 1914


Die im früheren Grün-weiß-rotem Kartell der Hannovera verbundenen Burschenschaften Germania Jena und Frankonia Heidelberg beschlossen, für einige Semester ältere Aktive und jüngere Inaktive nach Göttingen zu entsenden, damit diese die Hannovera wieder eröffnen. Das gelang; schon nach kurzer Zeit war die Burschenschaft Hannovera eine gefestigte Verbindung in Göttingen. 1907 trat sie der Deutschen Burschenschaft (DB) bei. 1909 wurde sie in das zwischenzeitlich bestehende Weiß-rote Kartell aufgenommen, so dass das alte Grün-weiß-rote Kartell erneut zu alter Größe entstand.

Eines war allen Bundesbrüdern bewusst: Um auf Dauer in Göttingen als Korporation bestehen zu können, bedurfte es für die Hannovera eines Verbindungshauses. Anlässlich des 60. Stiftungsfestes wurde der Hausbauverein der Grünen Hannoveraner zu Göttingen e. V. gegründet, dem die Alten Herren der Verbindung beitreten und Stammanteile zeichnen bzw. Spenden einzahlen konnten. Der Vorstand des Vereins besichtigt das zum Verkauf stehende Haus Herzberger Landstraße 9, in dem vordem berühmte Professoren, nämlich die Theologen Albert Ritschl und Theodor Haering sowie der Archäologe Karl Dilthey gewohnt hatten. Im Juli 1908 wurde der Kaufvertrag geschlossen. Es mussten noch einige Umbauarbeiten ausgeführt und Mobiliar beschafft werden, aber zum Beginn des Wintersemesters 1908/09 wurde das Verbindungshaus der Aktivitas übergeben. Seit 1911 wurde eine Bundeszeitung herausgegeben, die auch die Semesterberichte früherer Art der Aktivitas enthielt.
In der Hannovera blieb zunächst die Entscheidung der Aktivitas kontrovers, die seit 1909 im Semester mehrere sog. Burschenschaftliche Abende abhielt, an denen entweder ein Bundesbruder oder ein eingeladener Referent einen Vortrag hielt, dem sich eine Diskussion anschloss. Gelegentlich fanden Vortragsveranstaltungen statt, zu denen der Göttinger DC einlud oder die von der Universität angeboten wurden und die von der Aktivitas geschlossen besucht wurden. Erfolg hatte die Bitte der Aktivitas an die Alten Herren um Buchspenden für die auf dem Verbindungshaus eingerichtete Bibliothek. Umstritten war im Bund anfangs auch die Einrichtung einer wöchentlichen Sportstunde im Semester. Nachdem dieses stattfand, machte sich bald darauf ein Inaktiver der Hannovera einen Namen, als er sportliche Vergleichskämpfe von Studenten der Hochschulen Braunschweig, Clausthal-Zellerfeld, Göttingen und Hannover ins Leben rief.

Das Fechten spielte nach wie vor eine bedeutende Rolle im Bundesleben. Angesichts der finanziellen Belastungen durch den Hauskauf fanden in den Wintersemestern die früher veranstalteten Bälle und – trotz entsprechender Wetterverhältnisse – die beliebten Pferdeschlittenfahrten nur selten statt. Auch in den Sommersemestern veranstalte man nicht jedes Jahr ein Gartenfest. Die nicht kostspieligen sonntäglichen Wanderungen in die schöne Umgebung von Göttingen erfreuten sich allerdings weiterhin großer Beliebtheit. Unter maßgeblichem Einfluss der aus Jena kommenden Unterstützungsburschen veranstaltete der Göttinger DC in den Sommersemester einen Marktfrühschoppen, an dem auch die Bürger teilnahmen und der sich großer Beliebtheit erfreute, so dass er bald eine feste Institution wurde.

Mitte Juli 1913 fand das 65. Stiftungsfest der Hannovera statt. Es vereinigte zum letzten Mal für viele Jahre eine große Zahl von Alten Herren und Aktiven zu einer frohen Veranstaltung.

Hannovera im Ersten Weltkrieg

Auf der Abschlusskneipe des Sommersemesters 1914 wünschte man sich erholsame Semesterferien und hoffte, dass die Kriegsgefahr gebannt würde, aber am 1. August 1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Alle Angehörigen der Aktivitas sowie viele jüngere Alte Herren, die bereits gedient hatten und der Mobilmachung unterlagen, eilten zu ihren Reserveeinheiten. Die Bundesbrüder, die der Wehrpflicht noch nicht genügt hatten, versuchten als Kriegsfreiwillige bei einer militärischen Einheit angenommen zu werden. Die Aktivitas wurde bis Kriegsende suspendiert. Als sich herausstellte, dass der Krieg länger dauerte, gab der Altherrenverband eine unregelmäßig erscheinende Kriegszeitung heraus, in der vor allem Briefe von den im Felde stehenden Bundesbrüdern abgedruckt wurden. Von den über 100 Kriegsteilnehmern der Burschenschaft Hannovera verloren 32 ihr Leben.

Wiedereröffnung 1919

Einige Bundesbrüder, die 1914 ihr Studium unterbrochen hatten, kamen nach Kriegsende nach Göttingen zurück und machten die Hannovera wieder auf. Auch die Füchse, die aufgenommen wurden, waren in der ersten Zeit danach zum ganz überwiegenden Teil keine Abiturienten, die gerade die Schule verlassen hatten, vielmehr hatten sie schon einige Jahre im Schützengraben gelegen. Da wegen der verlorenen Jahre der baldige Studienabschluss im Vordergrund stand, aber auch wegen der Niederlage im Kriege und des Friedensvertrages von Versailles sowie der unruhigen Lage in Deutschland war das Bundesleben im Vergleich zur Vorkriegszeit eingeschränkt. Als nach dem Kappputsch 1920 im Ruhrgebiet ein kommunistische Aufstand ausbrach und die Reichsregierung um Zeitfreiwillige für die Reichswehr warb, meldete sich die Aktivitas der Hannovera und bildete mit anderen Göttinger Studenten eine Kompanie, die am Nordrand des Ruhrgebiets kurze Zeit zum Einsatz kam. 1921 nahmen vier Bundesbrüder an den Kämpfen in Oberschlesien teil, als polnische Eindringliche aus dem Reichsgebiet zurückgedrängt wurden, die Teile von Oberschlesien annektieren wollten, in welchen nach der Volksabstimmung für Deutschland votiert worden war.
Nach Beendigung der Inflation 1923 gab es ab 1924 zunächst einige ruhigere Jahre für die Weimarer Republik. Das innere Leben der Hannovera war weiterhin durch das Fechten, den Burschenschaftlichen Abend mit geschichtlichen sowie allgemein interessierenden, aber auch politischen Themen, Kneipen, Wanderungen und Sport bestimmt. Einige Bundesbrüder engagierten sich in der Hochschulpolitik.
Innerhalb der Deutschen Burschenschaft (DB) ergaben sich 1919 große Veränderungen. Anfang des Jahres kam es zum Zusammenschluss mit dem Rüdesheimer Verband, in dem die Burschenschaften an Technischen Hochschule zusammengeschlossen waren. Im August 1919 traten die Burschenschaften aus Österreich, der Tschechoslowakei und Rumänien der DB bei. Außerdem entfiel das Gebot an die Aktivitates, sich parteipolitisch zu betätigen. 1919 wurde die Burschenschaft Derendingia Tübingen in das GWRK aufgenommen.

… bis 1933

Ende Juli 1928 fand das 80. Stiftungsfest in Göttingen statt, an dem 300 Personen teilnahmen. Fast Dreiviertel aller Mitglieder der Hannovera war erschienen. Es steht fest, dass sich nie vor und nie nach diesem Fest mehr Bundesbrüder in Göttingen versammelt haben. Man feierte fröhlich und blickte hoffnungsfroh in die Zukunft. Aber es sollte anders kommen. Zum einen gab es im Oktober 1929 einen enormen Kurseinbruch an der Börse in New York, der zur Weltwirtschaftskriese führte. In Deutschland mussten zahlreiche Unternehmen Konkurs anmelden mit der Folge einer Massenarbeitslosigkeit. Die radikalen Parteien NSDAP und KPD errangen 1930 zusammengezählt über 50 % der Reichstagsmandate. Das gesamte öffentliche Leben radikalisierte sich, so auch an den Universitäten. Für die Deutsche Burschenschaft kam 1929 außerdem hinzu, dass in einer schriftlichen Abstimmung entschieden wurde, alle Aktiven hätten den Reichsausschuss für ein Volksbegehren gegen den Youngplan zu unterstützen. Dieser Reichsausschuss, trotz des Namens eine private Initiative von DNVP, Stahlhelm, NSDAP und einigen anderen kleineren rechten Gruppierungen, wollte ein Gesetz erreichen, nach dem Deutschland keine weiteren Reparationsleistungen mehr zahlt; gleichzeitig sollte der Youngplan, nach dem Deutschland Zahlungserleichterungen eingeräumt werden sollten, zu Fall gebracht werden. Das erforderliche Stimmenquorum für den Volksentscheid wurde nicht erreicht; nur 13,5 % der Wahlberechtigten stimmten dafür. Auswirkungen für die DB blieben aber. Hatte man sich früher weitgehend ferngehalten, politische Forderungen von Parteien aktiv zu unterstützen, wurde das jetzt anders trotz vielfältiger Warnungen zahlreicher Alter Herren, welche bedeutende Positionen im öffentlichen Leben bekleideten. Der von der DB ausgehende Einfluss erreichte die Mitgliedsbünde. Plötzlich wurden Wehrertüchtigungslager von der DB organisiert und mussten von Aktiven besucht werden. Aus dem sog. Exbummel, d. h. der Wanderung in die Umgebung, wurde der Gepäckmarsch, und bald gab es neben oder sogar anstelle der Sportstunde die Wehrarbeit, in der man sich mit Kleinkaliberschießen oder Geländeübungen betätigte.

Verfassungsbruch 1933 in der Deutschen Burschenschaft und Neugestaltung des Verbindungslebens

Kaum hatten die Nationalsozialisten 1933 die Macht in Deutschland an sich gerissen und das Ermächtigungsgesetz durchgebracht, gab es auch einen eklatanten Verfassungsbruch in der DB. Anfang Mai 1933 kamen alle Amtsleiter zu einer Sitzung in Berlin zusammen. Sie beauftragten Otto Schwab mit der alleinigen Führung der DB und traten von ihren Ämtern zurück. Zu berücksichtigen bleibt, dass die Gleichschaltung von Verbänden und Vereinigungen bereits begonnen hatte. Begründet wurde diese Maßnahme, es habe die Gefahr bestanden, die DB würde verboten, wenn nicht augenblicklich das Führerprinzip eingeführt würde.
Der Rücktritt von einem Posten in der DB war jedem Amtsträger rechtlich möglich, die Übertragung der alleinigen Führung des Verbandes auf eine Person hingegen ist mit einem Staatsstreich zu vergleichen. Gegen diese Umgestaltung der DB wurde verschiedentlich protestiert, aber das focht den neuen Bundesleiter nicht an. Es versandte Führerbriefe an die Mitgliedsbünde und verlangte die Einführung des Führerprinzips und der Arierbestimmungen in den Bünden sowie etwas später die Kameradschaftserziehung, die der Wehrertüchtigung dienen sollte.
Gemeinsames Wohnen auf dem Verbindunghaus in den ersten beiden Semestern mit vielen Details, die man aus der Rekrutenausbildung kennt, z. B. doppelstöckige Betten mit Seegrasmatratzen, Spinden, Hockern, gemeinsames Wecken, Stubendienst, Zapfenstreich usw.
Es kam zu einigen Austritten aus der DB, aber die meisten Mitgliedsburschenschaften hofften auf ein Überleben und kamen den Forderungen des Bundesleiters nach. So auch die Hannovera, in der es sowohl in der Altherrenschaft als auch in der Aktivitas Anhänger des Nationalsozialismus gab, aber die waren bei weitem nicht in der Mehrheit. Die Anweisungen des Bundesführers der DB wurden in der Hannovera zwar formell umgesetzt, jedoch nicht in vollem Umfang oder nicht zeitgerecht. Das Führerprinzip galt fortan und Konvente gab es nicht mehr, aber dafür fanden Mitgliederversammlungen statt, deren Beschlüsse der Bundesführer der Hannovera als Führerentscheidungen bekannt gab. Aus den Arierbestimmungen ergaben sich für die Hannovera keine Konsequenzen, denn ihr letzter jüdischer Bundesbruder war 1932 verstorben. Die Kameradschaftserziehung ließ relativ lange auf sich warten, da für die Anschaffung doppelstöckiger Betten etc. zunächst die Haushaltsmittel fehlten.

Der unrühmliche Untergang der Deutschen Burschenschaft

Die Tätigkeit des Bundesführers der DB war alles andere als gradlinig. Manche seiner Anweisungen waren ungenau formuliert oder unsinnig, so dass sie wenig später abgeändert wurden. Den Mitgliedsbünden in Aussicht gestellte Maßnahmen oder Versprechungen hielt er nicht ein. Der Unmut über seine Amtsführung führte zum Austritt einiger Burschenschaften aus der DB. Die Burschenschaften des GWRK, in das im Dezember 1933 Germania Marburg aufgenommen worden war, protestierten im Dezember 1934 in einem heftigen Gespräch mit Otto Schwab über dessen Tätigkeit als Bundesführer, so dass dieser versprach, alsbald sein Amt Hans Glauning zu übertragen. Die Hoffnung auf eine veränderte Amtsführung veranlasste nicht nur die Mitglieder des GWRK, sondern auch viele andere Burschenschaften, den bereits vorgesehenen Austritt aus der DB nicht vorzunehmen.
Bald zeigte sich, dass die Hoffnung, ein Wechsel in der Person führe auch zu einem Wechsel im Amtsverständnis, nicht erfüllt wurde. Daraufhin verließen etliche Burschenschaften die DB. Darunter befanden sich auch die Hannovera und zwei Kartellburschenschaften, allerdings traten diese nicht der Losen Arbeitsgemeinschaft (LAG) bei, die zeitweilig auch die Bezeichnung Alte Burschenschaft führte.
Die DB und die Alte Burschenschaft hatten durch Vermittlung des Jenaischen DC vereinbart, dass die Feierlichkeiten zum 120. Bestehen der Burschenschaft an 11. und 12. Juni 1935 in Jena nach einen festgelegten Plan ablaufen sollten. Am zweiten Tag hielt sich Hans Glauning nicht an die Absprache und ergriff auf dem Kommers das Wort. Er teilte u. a. mit, dass alle Burschenschaften des GWRK wieder der DB angehörten und warb für seinen Kurs, den er für die gesamte Burschenschaft für richtig hielt. Der bestehende Bruderkonflikt zwischen den Burschenschaften konnte nicht geheilt werden.
Nachdem sich die meisten Korporationsverbände bereits in aller Stille aufgelöst hatten, planten Hans Glauning und der Reichsführer des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB), Albert Derichsweiler, etwas Besonderes: Am 18. Oktober 1935, also 118 Jahre nach dem Wartburgfest von 1817, trafen sich alle in der DB verbliebenen Burschenschaften nochmals auf der Wartburg. Sie legten dort ihre Fahnen nieder und strichen die Couleur. Anschließend vereidigte Derichsweiler die Führer der neuen Kameradschaften als neue Mitglieder des NSDStB.

Folgen für die Hannovera

Die frühere Aktivitas der Burschenschaft Hannovera gehörte nunmehr als Gliedorganisation dem Göttinger NSDStB an. Kaum hatte das Wintersemester 1935/36 begonnen, gab es die ersten Streitpunkte darüber, wie die Mitgliedschaft ausgestaltet werden sollte, denn der Göttinger NSDStB zeigte sich wenig erfreut über den personellen Zuwachs, dem er misstraute. So wurde denn lange darüber gestritten, ob das Verbindungshaus geeignet sei, darin eine Kameradschaft unterzubringen. Als man darüber eine Übereinkunft erzielt hatte, gab es neue Auseinandersetzungen, so dass die Hannovera Mitte Dezember 1935 aus dem NSDStB austrat und die Burschenschaft Hannovera erneut eröffnete. Sie trat daraufhin dem Verband Göttinger Schlagender Verbindungen bei, einem Zusammenschluss von sieben Korporationen, die an der Universität Göttingen noch bestanden.
Die Freude über diesen mutigen Schritt der Aktivitas währte leider nicht lange. Farbentragende Studenten wurden in Göttingen von Mitgliedern des NSDStB, der SA und der HJ angepöbelt und bedroht, es kam auch zu Überfällen auf Korporierte. In der Nacht zum 20. Januar 1936 wurden bei einigen Verbindungshäusern Fensterscheiben eingeworfen und Fahnen heruntergerissen. Hinzu kam, dass eine Ansprache von Rudolf Heß zum 10jährigen Bestehen des NSDStB am 26. Januar 1936 bekannt wurde, in der er betonte, dass die Korporationen dem „Neuen“ weichen müssten. Zudem hielt sich in Göttingen das Gerücht, Korporationsstudenten könnten kein Examen mehr ablegen oder würden sogar von Studium ausgeschlossen und hätten später bei der Berufswahl Nachteile zu erwarten. Die Mitglieder des Verbandes Göttinger Schlagender Verbindungen kamen Ende Januar 1936 nochmals zusammen. Die allgemeine Hoffnungslosigkeit, weiter bestehen zu können, führte dazu, dass man nicht nur den Verband auflöste, sondern auch die Auflösung der Mitgliedervereinigungen empfahl. Diesen Beschluss setzten auch die Aktiven der Hannovera um, man teilte der Universität die Auflösung mit.
Wenngleich es keine Aktivitas mehr gab, wohnten einige ihrer früheren Mitglieder weiterhin auf dem Haus oder nahmen noch einige Semester am Mittagstisch teil, den der frühere Couleurdiener anbot.

Der Altherrenverband bis 1939

Der Bundesleiter des Altherrenverbandes lud alle Mitglieder zu einer Versammlung am 9. Mai 1936 nach Göttingen ein. Es wurde beschlossen, die Auflösungserklärung der Aktivitas als Suspendierung zu werten und allen ehemaligen Mitgliedern der Aktivitas zu gestatten, nach ihrem Studienabschluss die Aufnahme in den Altherrenverband zu beantragen. Hinsichtlich einer Auflösung des Altherrenverbandes und der Veräußerung des Verbindungshauses kam man zu dem Ergebnis, man wolle erst einmal die weitere Entwicklung abwarten. Im Raum standen Überlegungen, mit einem Altherrenverband einer anderen Göttinger Burschenschaft zu fusionieren oder zu versuchen, nach dem Vorbild anderer Korporationen in Göttingen eine eigene Kameradschaft zu gründen. Endgültige Entscheidungen gab es nicht. Mitgliederversammlungen des Altherren-verbandes oder des Hausbauvereins waren in den Jahren danach oft zu schwach besucht, als dass sich die Teilnehmer zutrauten, einschneidende Entscheidungen zu treffen. Die Bildung einer Kameradschaft ließen offizielle Stellen schon deshalb nicht zu, weil es – bedingt durch die Einführung des Arbeitsdienstes und der Wehrpflicht – z. B. für das Wintersemester 1937/38 nur 120 Neuimmatrikulationen an der Georgia Augusta gab und diese Studienanfänger bereits auf die vorhandenen Kameradschaften verteilt waren.
Vom 1. bis 3. Juli 1938 wurde das 90. Stiftungsfest begangen. 56 Bundesbrüder, einige Kartellbrüder und geladene Gäste fanden sich zusammen. Freitags traf man sich zum Begrüßungsabend auf dem Haus, samstags war Festkommers in den Göttinger Festsälen. Der Ausflug am Sonntag nach Nörten-Hardenberg fand bei herrlichem Wetter statt. Noch einmal erklomm man mit Band und Mütze die Burgruine, auf der am 13. Mai 1848 die Hannovera gegründet worden war. Abends fand der Festball mit Festessen (Menüpreis: 2,50 RM) statt. Die fröhliche Stimmung wurde gelegentlich überlagert durch die Ahnung, dass das Fest wohl das letzte dieser Art gewesen sein könnte.

Verbot vom 28. April 1939

Der NSDStB als Gliedorganisation der NSDAP versuchte, seine schlechte finanzielle Grundlage durch Aufnahme von Altherrenverbänden ehemaliger Korporationen in den NSAltherrenbund der Deutschen Studenten zu verbessern. Als dies nicht zum Erfolg führte, ersann SS-Sturmbannführer Martin Sandberger, Beauftragter für Verfassungsfragen und enger Vertrauter des Reichsstudentenführers, eine andere Methode. In seinem Artikel in der Märzausgabe 1939 der Zeitschrift „Der Altherrenbund“ kam zum Ausdruck, wer nicht für uns ist, ist gegen uns und der ist ein Fall für die Staatsorgane, die sich mit der Bekämpfung getarnter Gegner der nationalistischen Weltanschauung zu beschäftigen haben.
Die Auflösungsverfügung der Geheimen Staatspolizei, Leitstelle Hildesheim, vom 28. April 1939 traf die Hannovera völlig überraschend; sie hatte folgenden Wortlaut:

Auflösungsverfügung  
Auf Grund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. 2. 1933 (RGBl. S. 83) wird hiermit die Burschenschaft „Hannover“ in Göttingen und deren Hausbauverein aufgelöst, das Vermögen beschlagnahmt und jede weitere Betätigung sowie die Neugründung bzw. Bildung einer getarnten Nachfolgeorganisation verboten. Zuwiderhandlungen werden nach § 4 der genannten Verordnung bestraft.
Gründe:
Die Burschenschaft „Hannover“ sowie deren Hausbauverein haben bisher trotz wiederholter Bemühungen jede tätige Mitarbeit am studentischen Neuaufbau abgelehnt. Insbesondere hat nur ein geringer Prozentsatz dieser Vereinigungen seinen Beitritt zum NS-Altherrenbund erklärt und somit die Bestrebungen des Stellvertreters des Führers und des Reichsführers SS sabotiert.

Rechtschreibfehler und grammatische Schnitzer hin, eine völlig unklare Begründung her, die Auflösungsverfügung hatte Bestand. Was folgte, ist ein typischen Beispiel für die chaotische Verwaltung im NS-Staat. In einer Begleitverfügung der Gestapo Hildesheim wurde angeordnet, die verbotenen Vereine hätten sich im Einvernehmen mit dem Reichsstudentenführer bzw. seinem Beauftragten im Wege der Selbstliquidation aufzulösen. Am 1. Juli 1939 fand eine dahingehende Besprechung zwischen den ehemaligen Vorsitzenden der verbotenen Vereine und der Führung des Göttinger NSDStB statt.
Endgültig Ergebnisse brachte diese Erörterung nicht, denn der NSDStB wartete noch auf Anweisungen aus Berlin. Die Gestapo-Außenstelle Göttingen beantragte beim Amtsgerichts Göttingen, im Grundbuch für das Hausgrundstück Herzberger Landstraße 9 einen Vermerk einzutragen, dass der Hausbauverein verboten worden sei. Das Amtsgericht lehnte das unter Hinweis auf einen Erlass der Reichsjustizministeriums ab, erklärte aber, das Scheiben der Gestapo zu den Grundbuchakten zu nehmen, weil das Vereinsverbot ein absolutes Veräußerungsverbot für den Eigentümer bedeute. Als der Stadt Göttingen das Vereinsverbot bekannt wurde, erreichte sie, dass durch das Grundbuchamt vier Zwangssicherungshypotheken zu Lasten des Grundstückes Herzberger Landstraße 9 eingetragen wurden. Zwei betrafen die Sicherung von Hauszinssteuern des Staates Preußen, die beiden anderen kommunale Forderungen, nämlich Grundsteuern bzw. rückständige oder zukünftige kommunale Abgaben für Müllabfuhr, Kanalbenutzung und Straßenreinigung. Insgesamt gesehen handelte es sich bei den hypothekarisch gesicherten Beträgen um keine besonders hohen Summen, die der Hausbauverein beim Weiterbestehen nicht hätte begleichen können. Im Jahre 1940 beantragten sowohl das Studentenwerk Göttingen als auch die Gestapo-Außenstelle Göttingen einen Grundbuchauszug für das in Rede stehende Grundstück. Den Anträgen wurde stattgegeben, aber irgendwelche Weiterungen erfolgten nicht, so dass der Hausbauverein weiterhin als Eigentümer im Grundbuch verzeichnet blieb. Es mag sein, dass weitere Maßnahmen infolge des Krieges zurückgestellt wurden.

Aufhebung des Verbots 1942

Ende Januar 1942 erreichte den früheren Vorsitzenden des Hausbauvereins, Rechtsanwalt und Notar Felix Hans in Berlin, ein Schreiben des NS-Altherrenbundes, Gau Süd Hannover-Braunschweig, in dem angefragt wurde, was denn der Altherrenverband der Hannovera unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer Tagung des NS-Altherrenbundes zu unternehmen gedenke. Dieser antwortete, der Altherrenverband bestehe angesichts der Verbotsverfügung von 1939 nicht mehr. Der Amtschef des NS-Altherrenbundes wandte sich offensichtlich an eine hohe Gestapodienststelle; kurze Zeit später hob die Gestapo Hildesheim ihre Auflösungsverfügung von 1939 auf. Der Stellvertreter des Amtschefs äußerte sich gegenüber Felix Hans dergestalt, früher sei man, allerdings ohne großen Erfolg, mit der Holzhammermethode gegen Altherrenverbände vorgegangen. Nunmehr sollten Elemente des früheren Gemeinschaftslebens der Korporationen in den jetzigen Kameradschaften Berücksichtigung finden.
Was bei Hannovera folgte, waren komplizierte vereinsrechtliche Änderungen, denn der bisherige Hausbauverein wurde auf einer Mitgliederversammlung im Februar 1943 mit neuer Satzung zum Altherrenverband Burg Hardenberg e. V. Ob auf dieser Versammlung das nach der Satzung des Hausbauvereins erforderliche Quorum der Vereinsmitglieder vertreten war, ist nicht ausdrücklich festgestellt worden; es bestehen allerdings gewisse Zweifel, denn die Anschriften bzw. Feldpostnummern von etlichen Bundesbrüdern, die dem Hausbauverein angehörten, waren nicht bekannt und niemand wusste daher die genaue Zahl der Mitglieder zu benennen. Felix Hans beantragte erfolgreich beim Vereinsregister des Amtsgerichts Göttingen die Eintragung des Altherrenverbandes Burg Hardenberg e. V. anstelle des Hausbauvereins. Anschließend wurde auf seinen Antrag hin beim Grundbuchamt im Wege der Berichtigung dieser Verein als Eigentümer des Grundstückes Herzberger Landstraße 9 eingetragen. Außerdem gelang es Felix Hans, alle inzwischen erledigten Hypotheken im Grundbuch löschen zu lassen, was sich bis ins Frühjahr 1945 hinzog. Da der NS-Altherrenbund erklärt hatte, vor Kriegsende werde in Göttingen keine zusätzliche Kameradschaft zugelassen, hat es weitere Aktivitäten des Altherrenverbandes Burg Hardenberg e. V. nicht gegeben.

Hannovera im Zweiten Weltkrieg

Wie viele Mitglieder der Hannovera im Zweiten Weltkrieg Soldat waren, ist nicht bekannt; es dürften allerdings weniger gewesen sein als im Ersten Weltkrieg. Das liegt daran, dass nach Schließung der Aktivitas 1935/36 keine neuen Mitglieder mehr aufgenommen worden sind. Etliche Bundesbrüder haben an beiden Kriegen teilgenommen. Die Burschenschaft Hannovera Göttingen hat 26 Mitglieder als Kriegstote des Zweiten Weltkrieges zu beklagen. Dazu zählen alle Bundesbrüder, die gefallen sind, die als vermisst gemeldet wurden und über die nach dieser Meldung kein Lebenszeichen mehr vorliegt, die an den Folgen einer Kriegsverwundung oder die in Gefangenschaft verstorben sind.

Neuanfang nach 1945

Einige Zeit nach Kriegsende nahmen Mitglieder des Altherrenverbandes wieder Kontakt zueinander auf. 1948 wurde das 100. Stiftungsfest in kleinem Rahmen außerhalb von Göttingen gefeiert. Man kam überein, die Hannovera sobald als möglich zu rekonstituieren. Das war mit Schwierigkeiten verbunden, denn zum einen hatte die Hannovera im Gegensatz zu vielen anderen Korporationen in den Jahren zuvor keine Kameradschaft gehabt, aus der eine neue Aktivitas hervorgehen konnte, zum anderen hatte die britische Militärregierung das Verbindungshaus unter Treuhandschaft gestellt. So versuchte man zunächst, die 1943 vorgenommenen vereins- und grundbuchrechtlichen Änderungen rückgängig zu machen, was bis 1949 andauerte. 1950 wurde das Verbindungshaus rechtlich wieder dem Hausbauverein zurückgegeben, konnte allerdings erst 1956 in vollem Umfang zu korporativen Zwecken genutzt werden, weil bestehende Mietverhältnisse abzuwickeln waren.

Neubegründung

Am 17. Februar 1951 wurde die Hannovera in dem Gasthaus „Alte Fink Europa“ in Göttingen von Studenten als aktiver Bund rekonstituiert. Unklar war zunächst, wie das Bundesleben ausgestaltet werden sollte, zumal sich anfangs die Westdeutsche Rektorenkonferenz und die Universität Göttingen gegen das Farbentragen und die Bestimmungsmensur aussprachen. In der Hannovera wurde lebhaft darüber diskutiert, welche Formen des Gemeinschaftslebens aus der Zeit von vor 1933 man übernehmen sollte. Konventsprinzip, Burschenschaftliche Abende mit Vortragsveranstaltungen sowie Sportstunden standen außer Frage, während es über andere Bereiche heftige Auseinandersetzungen gab.

Die Zeit danach

1952 trat die Hannovera der Deutschen Burschenschaft bei und führte 1954 die Bestimmungsmensur gemäß dem Beschluss des Burschentages von 1954 ein. Als 1971 die Bestimmungsmensur als Verbandsprinzip durch die DB aufgegeben wurde, hatte das alsbald eine entsprechende Verfassungsänderung der Hannovera zur Folge, denn das Fechten wurde fakultativ. Auch sonst verhielt sich die Hannovera im Rahmen dessen, was von der DB vorgegeben war, obwohl sie bei etlichen Abstimmungen auf den Burschentagen zur Minderheit gehörte und z. B. den Beschluss des Rechtsausschusses, nach dem Kriegsdienstverweigerern die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft verwehrt wurde, inhaltlich für verfehlt hielt.
Auf dem Haus wurden Studentenzimmer eingerichtet. Außerdem gab es jahrelang im Semester einen gemeinsamen Mittagstisch, der sich auch bei Inaktiven, Kartellbrüdern und Verkehrsgästen großer Beliebtheit erfreute. Die Mitgliederzahl in der Aktivitas schwankte ständig; mal wurden über 15 Füchse in einem Semester aktiv, mal war der Nachwuchs gering. Von 1982 bis 1984 gehörten der Aktivitas nur so wenige Mitglieder an, dass sie suspendiert werden musste.
Zu den wiederkehrenden Veranstaltungen zählen im Sommersemester der
Gründungsexbummel zur Ruine Hardenberg sowie die Fuchsentaufe am Marktbrunnen in Witzenhausen. Hinzu kommt das Stiftungsfest, insbesondere alle fünf Jahre das Große Stiftungsfest, zu dem viele Alte Herren mit Familie erscheinen. Im Wintersemester ist die Weihnachtskneipe eine zentrale Veranstaltung. Auf unregelmäßig stattfindenden sog. Grünenfahrten in den Semesterferien besuchen Burschen und Füchse Alte Herren in einer bestimmten Region. Darüber hinaus gibt es Grünentreffen von Alten Herren mit Familie in einigen Gebieten.
In den letzten Jahren bestehen in Göttingen linksextremistische, gewaltbereite Studentengruppierungen, die sich nicht davor scheuen, physischen Terror gegen Korporierte in Form von Körperverletzungen auszuüben und Sachbeschädigungen an Verbindungshäusern vorzunehmen. Davon war auch die Burschenschaft Hannovera betroffen.
Im Dezember 2012 trat die Burschenschaft Hannovera aus der Deutschen Burschenschaft aus. Sie wollte nicht länger einem Dachverband angehören, dem es nicht gelang zu verhindern, dass einzelne seiner Mitglieder immer wieder rechtsextremistische, rassistische Parolen verkündeten und entsprechende Anträge auf dem Burschentag stellten, die mit dem demokratischen Selbstverständnis der burschenschaftlichen Bewegung nicht im Einklang stehen und diese diskreditieren.

Henning Tegtmeyer (WS 1961/62)



(ks-06/2020)