Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft

Im Herbst 2018 ist Band II „Künstler“ des „Biographischen Lexikons der Deutschen Burschenschaft“ erschienen, Universitätsverlag Winter, Heidelberg, 771 Seiten, 88,00 €, (ISBN 978-3-8253-6813-5). Nach dem Tod von Diplomvolkswirt Helge Dvorak (Olympia Wien) im Januar 2017, der zwischen 1996 und 2014 die Teilbände 1 bis 6 sowie die beiden Supplementbände 1 und 2 des Bandes I „Politiker“ herausgegeben und die Vorbereitung dieses Bandes geleistet hat, übernahm Prof. Dr. Peter Kaupp (Arminia auf dem Burgkeller Jena) im Auftrag der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung die Herausgabe des Werkes. Was den Umfang beider Bände betrifft, kann man diese nicht vergleichen, aber dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung: die Burschenschaft hat weit mehr Politiker als Künstler hervorgebracht. Ansonsten sind Aufbau und Struktur beider Bände vergleichbar: Es werden Lebensläufe mit Werks- bzw. Literaturverzeichnissen und in vielen Fällen Abbildungen verstorbener Mitglieder einer Burschenschaft abgedruckt, und zwar auch solcher, die nur zeitweilig das Band getragen haben. Zu den Künstlern zählen in erster Linie Dichter, Schriftsteller, Komponisten, Musiker, Sänger, Dirigenten, Maler, Bildhauer, Architekten, Schauspieler sowie Musik-, Kunst- und Literaturwissenschaftler, unabhängig davon, ob sie so einen Beruf hauptberuflich ausgeübt haben oder ob sie ihren Lebensunterhalt in anderen Berufen verdienten und nur „nebenberuflich“ künstlerisch tätig waren.

Der erste Blick auf den Schutzumschlag bereitet uns als Grüne Hannoveraner bereits viel Freude, denn inmitten der Abbildungen von 12 bekannten Künstlern (Hoffmann von Fallersleben, Heinrich Heine, Herbert von Karajan, Nikolaus Lenau, Friedrich Nietzsche, Victor von Scheffel, Franz Schubert, Robert Schumann u.a.), die Mitglied einer Burschenschaft waren, ist das Bildnis einer Frau zu sehen: Jenny Lind! Auch im Klappen­text des Schutzumschlages sowie im Vorwort wird sie als Ausnahme von der sonst männerbündischen Tradition der Burschenschaft erwähnt.

replica by Eduard Magnus, oil on canvas, circa 1861 (1846)

Sechs Mitglieder der Hannovera sind im Künstler-Band vertreten,
voran natürlich

Jenny Lind,

der die Ehrenmitgliedschaft im WS 1849/50 verliehen worden ist.
Sie hat einen außergewöhnlich langen Lebenslauf erhalten.








Unser Bundesbruder

Karl von Lützow

(aktiv SS 1851/52) war in Wien Professor für Kunstgeschichte und gab von 1863 bis 1897 die bedeutende „Zeitschrift für Bildende Kunst“ mit dem Beiblatt „Kunstchronik“ heraus.




Sein Freund und Bundesbruder

Carl von Lemcke

(aktiv SS 1852), Ästhetiker und ebenfalls Kunsthistoriker, bekleidete an der Technischen Hochschule Stuttgart von 1893 bis 1896 das Amt des Rektors und war nebenamtlich Direktor des Museums der Bildenden Künste in der Hauptstadt Württembergs. Außerdem verfasste er einen Gedichtband – Johannes Brahms hat etliche seiner Gedichte vertont -, und schrieb Romane.




Wolfgang Helbig

(aktiv WS 1856/57) war Archäologe und Kunsthändler in Rom. Zu seinen wichtigsten wissenschaftlichen Veröffentlichungen gehören Forschungen zur Wandmalerei in Pompeji. Er vermittelte dem dänischen Brauereibesitzer Jacob Christian Jacobsen über 950 Kunstwerke für die Ny Carlsberg Glyptotek in Kopenhagen. Der dortige Bereich der Ausstellungsräume für die antiken Plastiken trägt den Namen „Helbig-Museum“.










Bundesbruder

Carl Bruch

(aktiv Alemannia Bonn SS 1857, Hannovera Göttingen WS 1858/59), Pfarrer der reformierten Gemeinde in Hückeswagen (Kreis Lennep), übersetzte klassische griechische und römische Literatur in die deutsche Sprache, wobei er das Versmaß der Urschrift beibehielt. Seine Übersetzungen wurden allgemein für so vorzüglich gehalten, dass sie noch lange nach seinem Tode bei Neuauflagen durch andere Herausgeber verwendet wurden.




Es folgt

Otto-Ernst Tickardt,

jüngerer Bruder unseres Mitgliedes Walter Tickardt. Erstgenannter trat im WS 1928/29 als stud. phil. in die Hannovera ein und wechselte zum SS 1930 nach Köln, um dort Theaterwissenschaften zu studieren und Schauspielunterricht zu nehmen. 1934 begann er seine Karriere als Schauspieler, übernahm aber bald auch das Amt des Spielleiters an kleineren deutschen Bühnen. 1945 beauftragte ihn die sowjetische Militärmission, in Heiligenstadt Schillers Drama „Kabale und Liebe“ aufzuführen. 1949 wechselte er als Intendant und Oberspielleiter an das Theater der Deutschen Volksbühne in Greiz. Wahrscheinlich 1952 legte er sein Band nieder. Von 1956 bis 1963 war er Intendant des Stadttheaters Gera, danach in Greifswald, schließlich betätigte er sich am Theater in Lutherstadt Wittenberg. Er hat in einigen DEFA- und Fernsehfilmen mitgewirkt; 1988 ist er verstorben.

Henning Tegtmeyer (WS 1961/62)


(Dieser hier leicht überarbeitete Artikel wurde inhaltsgleich posthum in der Bundeszeitung der Burschenschaft Hannovera Göttingen, Jahrgang 109 (Neue Folge), Mai 2019, Nr. 1, Seiten 47-49, veröffentlicht.)

(ks-01/2020)