Herzberger Landstraße 9

Aus der Geschichte unseres Grünenhauses

(Artikel aus der Bundeszeitung der Grünen Hannoveraner zu Göttingen, Jahrgang 89 (Neue Folge), April 1999, Nr. 1, Seiten 22–24)

Als der Architekt Schwieger aus Göttingen 1993 den Auftrag erhielt, die Bausubstanz unseres Hauses vor ihrer Renovierung zu beurteilen, entstanden Kopien von älteren Hauszeichnungen. Die Originale liegen vermutlich in Archiven eines Bauamtes der Stadt Göttingen oder des Göttinger Katasteramtes. Sie waren für mich der Anlaß, Aufzeichnungen über die Entstehungsgeschichte unseres Hauses aufzuspüren, die vorhandenen Zeichnungen zu ordnen und nach Möglichkeit zu kommentieren. Es ist leicht zu erraten, daß mir bei diesem Vorhaben Bbr. Henning Tegtmeyer auf das Intensivste geholfen hat. Ihm gilt daher an dieser Stelle unser aller Dank. Die Darstellungen sollen in zwei Teilen gedruckt werden.

I. Der Bau des Hauses für Prof. Ritschl 1867 und die Situation
unseres Bundes zu Beginn dieses Jahrhunderts

Werner Thies (SS 1955)

(Redaktioneller Hinweis: Teil II ist nicht erschienen.)

Nach der Gründung des Hausbauvereins im Jahre 1908 war zunächst der Bau eines neuen Hauses geplant worden. Dieses Vorhaben wurde jedoch noch im gleichen Jahr zu Gunsten des Kaufes eines Altbaues aufgegeben. Hier soll daher zunächst über die Lebensphase unseres Grünenhauses berichtet werden, in der es noch nicht zu unserem Eigentum gehörte (vgl. dazu auch die Ausführungen von Lampmann, Geschichte der Burschenschaft Hannovera Göttingen, S 165 ff. sowie Beiträge in der Grünenzeitung Oktober 1983, S. 23 f., April 1998, S. 22 ff. und April/Oktober 1994, S. 53 ff.).

Über die allgemeine städtebauliche Situation zur Zeit der Entstehung des Hauses finden sich Hinweise in der Denkmal-Topographie „Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen“ (Stadt Göttingen 5.1., ISBN 3-528-06 203-7): „In den Jahren zwischen 1864 und 1875 ließen sich Angehörige der wohlhabenden Schicht (sic!) auch östlich des Albanitores nieder (vergleiche die etwas früher einsetzende Entwicklung z. B. an der Bürgerstraße, Geismarlandstraße, Reinhäuser Landstraße usw.). Von diesen Bauten, die vor der Bauordnung von 1877 (Fluchtliniengesetz) erstellt wurden, haben sich einige an der Herzberger Landstraße / Düstere-Eichen-Weg und am unteren Hainholzweg / Am Reinsgraben / Friedländer Weg erhalten.“ In der gleichen Quelle ist auch unser Grünenhaus auf der Seite 87 als Musterbeispiel für den demaligen Baustil abgelichtet: „Die wahrscheinlich älteste, zwischen 1864 und 1872 entstandene Gruppe findet sich auf der Nordseite der Herzberger Landstraße (Nr. 1,3,7,9,11,15, Düstere-Eichen-Weg 1,2). Die … villenähnlichen, meist zweigeschossigen, Wohnhäuser sind bis auf die Putzbauten Herzberger Landstr. 9 (1867 von Maurermeister Freise für Professor Ritschl entworfen und gebaut) und Nr. 15, erbaut ca. 1869 in Tuffstein, z. T. mit Sandsteingliederung ausgeführt.“

Vermutlich nach dem Tod von Ritschl im Jahre 1889 erwarb Prof. Dilthey das Haus. Meinen Recherchen zufolge handelt es sich hier sehr wahrscheinlich um den Archäologen Karl Dilthey, der von 1839 bis 1907 lebte und 30 Jahre an der Göttinger Universität lehrte. Der Hausbauverein der Grünen Hannoveraner kaufte das Haus im Jahre 1908, also ein Jahr nach dem Tode Diltheys.

Während die Mauern unseres Hauses sich nun schon 41 Jahre mit Göttinger Gelehrsamkeit vollgesogen hatten, wurde im fernen Berlin ein starkes Gebräu angesetzt. Und das kam so: Unter offensichtlich starkem Konkurrenzdruck durch hausbesitzende Korporationen riefen die Bundesbrüder Witting (Berlin), Riekes (Seesen) und der kernige Iwan Lorentzen (Erfurt; sein Bild hängt in der kleinen Kneipe) für den „8. April 1908 abends 8 1/4 Uhr nach Berlin, Restaurant Voges am Nollendorfplatz 9, Ecke Bülowstr., Eckzimmer 1 Treppe hoch, bei der Hochbahnstation Nollendorfplatz“ zur Gründung eines Hausbauvereins auf. Der 8. April 1908 gilt als der Gründungstag des „Hausbauvereins der Grünen Hannoveraner, eingetragener Verein zu Göttingen“.

Zur Begründung seiner Notwendigkeit führten die genannten Bundesbrüder an: „Bedenkt, daß die Tage unserer Burschenschaft, wenn es uns jetzt nicht gelingt, ihr ein würdiges Burschenhaus zu erbauen, gezählt sind. Die Burschenschaften Germania Jena und Frankonia Heidelberg, welche in einer beispiellos dastehenden Weise unsere Sache zu der ihren gemacht haben, verlangen von unserer Altherrenschaft, daß sie jetzt auch etwas tut, um das Schiff, welches leider so häufig in den letzten dreißig Jahren Not gelitten hat, dauernd wieder tüchtig zu machen. … ohne Haus ist es heute fast unmöglich, gute und brauchbare Füchse zu bekommen. Bauen wir nicht, so wird das lobenswerte Interesse beider Burschenschaften erlahmen. Die Unterstützungen werden nachlassen, und unsere Hannovera wird wieder versinken, diesmal aber für immer.“ Diese dunkle Beschwörung eines bevorstehenden Unterganges zeigte Wirkung!

Im Juni des gleichen Jahres (1908) wurde beitrittswilligen Alten Herren im „Englischen Hof“ in Göttingen auf einer Mitgliederversammlung die Satzung des Hausbauvereins vorgestellt, die im übrigen eine sehr große Ähnlichkeit mit der heute gültigen Satzung aufweist. Man diskutierte über den auszuwählenden Bauplatz, den Zeitpunkt des Baubeginns, den Baustil (!) und die Beauftragung eines geeigneten Architekten. Zu einem Neubau ist es damals allerdings nicht gekommen. Vielmehr wurde das 1867 für Prof. Ritschl erbaute Haus am 29. Juli 1908 von der Erben Prof. Diltheys für 42500 Mark käuflich erworben. Die Größe des Gartens wurde mit 20 a (= 2.000 qm) angegeben. Erwähnt wurde ferner, daß er „mit alten Bäumen bestanden ist“. Wir können also davon ausgehen, daß die beiden Kastanien(*) und die Silberlinde(*) heute nicht 100, sondern mindestens 150 Jahre alt sind und damit ziemlich exakt das Alter unseres Bundes haben! Nach dem Kauf wurde das Haus unter dem energischen Antrieb von AH Riekes umgebaut. Diese Arbeiten dauerten drei Monate. Am 24. Oktober 1908 war schließlich die Einweihungsfeier.

In der nächsten Grünenzeitung sollen in einem „Teil II“ die oben erwähnten Lage- und Architekten-Zeichnungen aus den Jahren 1867 bis 1995 vorgestellt werden.


Haus Herzberger Landstraße 9

(Überarbeitete Fassung des Artikels aus der Bundeszeitung der Grünen Hannoveraner zu Göttingen, Jahrgang 100 (Neue Folge), April 2010, Nr. 1, Seiten 32–39)


Nach Einsichtnahme von Kopien der Grundbuchakten des Grundstückes Herzberger Landstraße 9 in Göttingen, die mir Bundesbruder Peter Eiselt vor einiger Zeit übersandte, ergibt sich unter Berücksichtigung von drei Veröffentlichungen aus dem Bereich der Burschenschaft Hannovera (Theo Lampmann: Geschichte der Burschenschaft Hannovera Göttingen seit Anfang der neunziger Jahre bis 1928, Hannover: C. V. Engelhard & Co 1928, S. 165 ff.; Frank Schleritt: Der Erbauer unseres Hauses – Albrecht Ritschl ( 1822-1889), Bundeszeitung der Grünen Hannoveraner zu Göttingen, Jahrgang 84 (Neue Folge), April/ Oktober 1994. Nr. 1/2, S. 53-57 sowie Werner Thies: Aus der Geschichte unseres Grünenhauses, Bundeszeitung der Grünen Hannoveraner zu Göttingen, Jahrgang 89 (Neue Folge), April 1999, Nr. 2, S. 22-24 – hier vorangestellt) und aus sonstigen allgemein zugänglichen Quellen ein sehr genauer Überblick über die Geschichte unseres Verbindungshauses. Abgestellt wird in den nachfolgenden Ausführungen nicht nur auf die früheren Eigentümer, sondern auch auf den Ankauf durch die Burschenschaft Hannovera sowie auf die erfolgte Finanzierung, welche in Folge etlicher Besonderheiten der deutschen Geschichte erst 1964 zum Abschluss gekommen ist.

Nach einer von Werner Thies erfolgten Darstellung über die städtebauliche Entwicklung in Göttingen waren ab 1860 die wohlhabenden Schichten – wozu offensichtlich auch die Dozentenschaft der Georgia Augusta gezählt wurde – bestrebt, extra muros zu wohnen. So setzte alsbald eine rege Bautätigkeit vor allem östlich des alten Stadtwalles in Richtung auf den Hainberg ein. Umfasst war natürlich auch die Herzberger Chaussee, die erst 1911 die Bezeichnung Herzberger Landstraße erhielt. Auf der nördlichen Straßenseite zwischen Theaterplatz und Düsterem Eichenweg entstanden nach und nach meist zweigeschossige Wohnhäuser. Ganz überwiegend wurden sie in Tuffstein (z.T. mit Sandsteingliederung) ausgeführt. Bei unserem Haus handelt es sich jedoch um einen so genannten Putzbau.
1864 erging an Prof. Dr. theol. Albrecht Ritschl (* Berlin 1822, † Göttingen 1889) ein Ruf an die Georgia Augusta. In Bonn hatte er sich mit 24 Jahren habilitiert und war dort zunächst als Privatdozent sowie später als Theologieprofessor tätig gewesen. In seiner Zeit in Göttingen gehörte er zu den bedeutendsten deutschen Theologen in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Zeitweilig war er Mitglied der Evangelischen Landesynode für die preußische Provinz Hannover; er erhielt den Titel Konsistorialrat sowie die Ehrendoktorwürde eines Dr. jur. und eines Dr. phil. Anfangs hatte er es in Göttingen als Preuße bei der überwiegend welfenfreundlichen Professorenschaft nicht leicht (vgl. dazu und über seine Bedeutung als Theologe die Ausführungen von Frank Schleritt). Er erwarb nach seiner Übersiedlung nach Göttingen das Grundstück Herzberger Chaussee 9 und beauftragte den Göttinger Maurermeister Freise, das Haus zu entwerfen und zu bauen. Aus jener Zeit gibt es weder Unterlagen über den Kaufpreis des Grundstücks noch Angaben über die Beträge, die für Planung und Ausführung des Hauses aufgewendet wurden. Wegen des Krieges 1866 verzögerten sich die Bauarbeiten. Prof. Dr. Ritschl konnte erst 1867 in sein Haus einziehen. Dort wohnte er bis zu seinem Tode. An unserem Haus erinnert eine Gedenktafel an den ersten Eigentümer; die Stadt Göttingen benannte den Ritschlweg (in der Nähe der Ewaldstraße) nach ihm.

Nachfolger auf dem vakanten Lehrstuhl für Theologie in Göttingen wurde 1889 der Schwabe Theodor Haering (* Stuttgart 1848, † Tübingen 1928), der im Zeitpunkt der Berufung an der Universität Zürich lehrte. Auch er gehört zu den herausragenden deutschen Theologen seiner Zeit. Von den Ritschlschen Erben kaufte er am 1. Juli 1890 das Haus Herzberger Chaussee 9 und wohnte darin bis 1895. Für diesen Eigentumswechsel ist nicht ersichtlich, welcher Kaufpreis vereinbart worden war.

Ab 1895 gibt es zwei an und für sich unterschiedliche Ereignisse, die erst durch das Handeln der Eigentümer in Beziehung zueinander rückten. Zum einen wurde ab 1895 beim Amtsgericht Göttingen – Grundbuchamt – das Grundbuch für den Bezirk der Stadt Göttingen angelegt. Zum anderen wurde in den ersten drei Jahren danach das Haus zwei Mal verkauft. Somit bietet von 1895 an das Grundbuch für das Grundstück Herzberger Chaussee 9 einen hervorragenden Überblick über die geschlossenen Kaufverträge einschließlich aller getroffenen Nebenabreden, die zum Eigentumswechsel und zur Bestellung von Grundpfandrechten sowie zu deren Löschung geführt haben.

Vor dem Grundbuch bestand in Göttingen ein von der Stadt geführter Güterauszug, in dem die Göttinger Grundeigentümer verzeichnet waren. Ein entsprechender Auszug, der Prof. Dr. theol. Theodor Haering als Eigentümer auswies, enthielt auch Angaben zur Größe der Liegenschaft: Es handelte sich um zwei Parzellen, nämlich einerseits um die Gebäudefläche (1 a, 63 qm, andererseits um den Hausgarten (18 a, 67 qm), mithin um 20 a und 30 qm oder umgerechnet um 2030 qm. Obwohl dem königlichen Amtsgericht in Göttingen die Güterauszüge vorlagen, wurden die Grundstückseigentümer zur Anlegung des Grundbuches nach und nach vorgeladen. Die Ladung erfolgte formularmäßig, wobei der Vordruck handschriftliche Ergänzungen enthielt. Einen solchen bekam auch Prof. Dr. Haering, der aufgefordert wurde, am Dienstag, den 5. März 1895, vormittags 9 1/2 Uhr im Geschäftslokal Zimmer 14, 2 Etagen hoch, zu dem anberaumten Termin zu erscheinen. Von den Grundeigentümern wurde verlangt, dass sie die in ihren Händen befindlichen Auszüge über ihre im Gemeindebezirk Göttingen belegenen Grundstücke sowie alle auf den Erwerb der Grundstücke sich beziehenden Urkunden oder anderen Beweisstücke vorlegten. Angekündigt wurde, dass eine Vernehmung über den unmittelbaren Rechtsvorgänger, über den Rechtsgrund, vermöge dessen das Eigentum übergegangen war, und über die auf den Grundstücken haftenden Beschränkungen des Eigentums, Eigentumsvorbehalte, dinglichen Rechte und Hypotheken erfolgen werde. Sodann wies die Ladung noch einen Stempelaufdruck auf, durch den sich das Gericht die Sache sehr einfach machte: „Ihren Ehevertrag haben Sie zum Termin mitzubringen und etwaige Miteigentümer – (z. B. Ehegatten, volljährige Kinder, Geschwister) – zu veranlassen, ohne Ladung in demselben Termin zu erscheinen.“ Letztlich enthielt die Ladung folgenden Hinweis: „Leisten Sie dieser Verfügung nicht Folge, so haben Sie nach Maßgabe des § 28 des Gesetzes vom 28. Mai 1873 eine Geldstrafe bis zu 150 Mark zu gewärtigen.“

Diese Ladung wurde durch die Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts Göttingen ausgefertigt und dem Gerichtsvollzieher übergeben, welcher die Zustellung vornahm. Zum Termin erschien Prof. Dr. Haering vor dem Gerichtsassessor Strecker im Gerichtsgebäude Wilhelmsplatz 2 – dort befand sich damals das Grundbuchamt -, erkannte den Güterauszug an, legte den Vertrag über den Eigentumswechsel vor und erklärte, dass auf dem Grundstück keinerlei dingliche Lasten lagen.

Die Vorsprache beim Grundbuchamt des Amtsgerichts Göttingen gehörte für Prof. Dr. Haering ganz sicher zu seinen zeitlich letzten Betätigungen in Göttingen, denn er hatte einen Ruf nach Tübingen angenommen. Eine Schwierigkeit ergab sich für ihn daraus, dass er das Haus Herzberger Chaussee 9 vor seinem Umzug nicht mehr veräußern konnte. Die vorliegenden schriftlichen Daten lassen darauf schließen, dass er seinen Kollegen Prof. Dr. phil. Wilhelm Meyer (* Speyer 1845, † Göttingen 1917), Ordinarius für klassische Philologie in Göttingen, mündlich gebeten hatte, nach einem Käufer Ausschau zu halten. Der fand einen Interessenten: Es war sein Kollege Prof. Dr. phil. Karl Dilthey (* Biebrich [heute ein Stadtteil von Wiesbaden] 1819, † Göttingen 1907), welcher im Hainholzweg wohnte, aber Gefallen am Hausgrundstück Herzberger Chaussee 9 fand. Er hatte Philologie und Archäologie studiert und sich in beiden Fächern habilitiert. Ab 1878 war er Ordinarius für klassische Philologie an der Georgia Augusta. Nach dem Tod des in Göttingen tätigen Archäologen übernahm er 1892 dessen Lehrstuhl. Später erhielt Prof. Dr. Dilthey den Titel Regierungsrat und war Mitglied der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen.
Wahrscheinlich waren sich die handelnden Personen im Sommer 1895 inhaltlich bereits weitgehend einig über den Verkauf des Hauses Herzberger Chaussee 9, aber die Angelegenheit musste auch formal in Ordnung gebracht werden. So begab sich Prof. Dr. Haering am 17. Juli 1895 zu einem königlich württembergischen Gerichtsnotar in Tübingen und bevollmächtigte Prof. Dr. Meyer in Göttingen, den Kaufvertrag über das Hausgrundstück Herzberger Chaussee 9 abzuschließen. Letztgenannter, mit der notariell bestätigten Vollmacht aus Tübingen ausgestattet, und Prof. Dr. Dilthey hatten am 15. August 1895 einen Termin bei dem königlich preußischen Notar, dem Justizrat Hermann Eckels in Göttingen. Dort ließen sie den Kaufvertrag über das Grundstück Herzberger Chaussee 9 beurkunden.

Die üblichen, aber wenigen Klauseln, die ein notarieller Kaufvertrag über ein Grundstück zur damaligen Zeit enthielt, brauchen im vorliegenden Fall nicht erörtert zu werden. Von Interesse sind hingegen zwei Vereinbarungen: Zum einen geht es um den Verkaufsgegenstand. Verkauft wurde das Wohnhaus nebst Garten, Gartenlaube und allem Zubehör, namentlich den Einfriedungen nach Osten und Süden. Die kursiv gedruckte Regelung hat möglicherweise auch heute noch Bedeutung für die Verpflichtung zur Setzung und Unterhaltung eines Grenzzaunes. Zum anderen sind der Kaufpreis und die Zahlung desselben bemerkenswert: Vereinbart wurde ein Kaufgeld von 36.000 Mark (das waren zu jener Zeit Goldmark!). Davon waren 6.000 Mark sogleich zu entrichten. „Der Rest von 30.000 Mark bleibt laut § 5 stehen.“ – wie der Notar in § 3 des Kaufvertrages formulierte. § 5 enthielt die Regelungen zur Zahlung des Restkaufpreises: Prof. Dr. Dilthey erhielt von dem Verkäufer ein Darlehen über die 30.000 Mark, das mit 3,5 % zu verzinsen war. Alle vier Jahre musste er jeweils 6.000 Mark an den Verkäufer entrichten. Zur dinglichen Sicherung der Darlehensforderung nebst Nebenkosten bewilligte der Käufer dem Verkäufer die Eintragung einer Hypothek auf das gekaufte Grundstück.

Diese Absprachen bewirkten, dass weder Banken noch Sparkassen eingeschaltet wurden, welche den Restkaufpreis kreditierten und ihrerseits Hypothekengläubiger wurden. Man kam sich als Verkäufer und Käufer entgegen. Bei einer Darlehensgewährung durch eine Bank wäre sicher eine höhere Zinslast angefallen. Der Verkäufer hätte allerdings den vollen Kaufpreis sofort erhalten. Möglicherweise sind entsprechende Erwägungen bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt worden, vielleicht fand man einen Ausgleich über die Kaufpreishöhe.

Kurze Zeit nach dem Vertragsabschluss wurde Prof. Dr. Dilthey durch das Amtsgericht Göttingen – Grundbuchamt für den 24. Oktober 1895 vorgeladen, und zwar in Sachen Anlegung des Grundbuches. In der Anschrift wurde bei ihm – im Gegensatz zu Prof Dr. Haering – die Bezeichnung „Hochwohlgehoren“ verwandt. Prof. Dr. Dilthey erschien zu dem Termin, legte zum Beweis seines Eigentums den notariellen Kaufvertrag vor und berief sich darüber hinaus auf das Zeugnis des Gemeindevorstandes. Er erklärte sodann, dass auf dem Grundstück eine Hypothek in Höhe von 30.000 Mark zu Gunsten des Voreigentümers laste. Am 24. Juni 1896 erschien vor dem inzwischen zum Amtsrichter beförderten früheren Gerichtsassessor Strecker der Senator Carl Borbeck vom Magistrat der Stadt Göttingen. Offensichtlich wurde an diesem Tag zwischen dem Amtsrichter und dem Senator eine Vielzahl gleichartiger Fälle abgehandelt. Die Gerichtsschreibrei hatte alles gut vorbereitet, denn es sieht so aus, als hätten jeweils gleichlautende Entwürfe von Urkunden für die einzelnen Grundstücke vorgelegen, in denen Amtsrichter Strecker nur noch die Daten der Eigentümer nach den Angaben des Senators einzutragen brauchte, die dieser aus den Güterauszügen vortrug. Für das Grundstück Herzberger Chaussee 9 steht vermerkt, dass Senator Borbeck auf Befragen erklärte: „Als Vertreter des Magistrats von Göttingen bescheinige ich den Eigentumsbesitz des Prof. Dr. Karl Dilthey hierselbst.“

Prof. Dr. Dilthey bezahlte die fälligen Raten nebst den Zinsen termingerecht, allerdings stand bei seinem Tode am 4. März 1907 noch ein Restbetrag aus. In seinem Testament hatte er den Justizrat Dr. Emil Beyer, der Rechtsanwalt und Notar in Göttingen war, zum Testamentsvollstrecker eingesetzt. Dieser bemühte sich alsbald um den Verkauf der Immobilie Herzberger Chaussee 9. Dazu veranlasste er die Erben, den Rest des Kaufpreises an Prof. Dr. Haering in Tübingen zu zahlen. Dieser bestätigte am 3. Oktober 1907 in einer notariellen Urkunde, dass seine Forderung nebst Zinsen erfüllt sei und erteilte eine Löschungsbewilligung für die Hypothek. Nach deren Löschung war das Grundstück wieder lastenfrei, d. h. es konnte ggf. bei einem Verkauf erneut eine Hypothek an erster Stelle eingetragen werden.

Nun gilt es, einen Blick in die Lampmannsche Geschichte der Hannovera auf die Seiten 84 ff. zu werfen. Im WS 1902/03 wurde die Burschenschaft Hannovera durch die Universität Göttingen bis zum Ende des Sommersemesters 1903 suspendiert. Zum besseren Verständnis sei erwähnt, dass damals die studentischen Verbindungen von der Hochschule anerkannt waren. Diese Lizensierung hatte zur Folge, dass man als Korporation der Universitätsgerichtsbarkeit unterworfen war. Der Grund für die Suspendierung bestand nach Auffassung der Georgia Augusta darin, dass Hannovera einen Studenten öffentlich beleidigt hatte. Der Fall soll hier nicht in allen Facetten besprochen werden. Wichtig ist nur, wie Hannovera intern auf die erfolgte Vertagung reagierte: Eine Vielzahl von Aktiven und Inaktiven und die Aktivitas selbst hatten relativ hohe Schulden – man lebte eben flott auf Pump. Auch von den Alten Herren, die Mitglieder der Altherrenkasse waren, gingen manche zugesagten Beiträge nicht oder nur schleppend ein, so dass die Aktivitas gelegentlich nicht die zugesagte finanzielle Unterstützung erhielt. Eigentlich hätte man zu Beginn des Wintersemesters 1903/04 die Aktivitas wieder eröffnen können, jedoch fasste man einen kaum nachzuvollziehenden Beschluss: Man wollte damit warten, bis die finanziellen Querelen beseitigt seien. Jedem kundigen Bundessbruder hätte klar sein müssen, dass sich die Vertagung damit bis zum Sankt Nimmerleinstag erstrecken konnte.

Ganz so lange dauerte es dann doch nicht, aber aus eigener Kraft war Hannovera nicht in der Lage, erneut zu entstehen. 1906 erklärten sich Germania Jena und Frankonia Heidelberg bereit, für mehrere Semester junge Inaktive nach Göttingen zu entsenden, die die Aktivitas der Hannovera wiederbegründen und in der ersten Zeit danach am Leben erhalten sollten. Den Alten Herren der Hannovera war klar, dass ein Überleben der Aktivitas nur möglich war, wenn man wie die vielen anderen Korporationen ein Verbindungshaus haben würde. Auch die Jenenser Germanen und die Heidelberger Franken hatten entsprechende Erwartungen geäußert.

Zu Ende des Sommersemesters 1906 beschloss die Bundesversammlung, „in allernächster Zeit“ ein Verbindungshaus zu erwerben. Über Einzelheiten sollte ein Jahr später beraten werden, aber zur Bundesversammlung im Juli 1907 waren nur drei Alte Herren erschienen. Mangels Beschlussfähigkeit wurde eine außerordentliche Bundesversammlung für Oktober 1907 einberufen. Dort fasste man den gewichtigen Beschluss, einen „Ausschuss zur Förderung des Hauskaufes“ einzusetzen, dem die Alten Herren Richard Witting, Karl Riekes und Iwan Lorentzen angehörten. Dieser Ausschuss entwarf eine Satzung für den Hausbauverein der Grünen Hannoveraner, eingetragener Verein zu Göttingen, welcher auf einer Altherrenversammlung am 8. April 1908 in Berlin gegründet werden sollte. Diese Sitzung fand nicht statt, d.h. die Gründung des Hausbauvereins erfolgte erst anlässlich des 60. Stiftungsfestes der Burschenschaft Hannovera am 25./26. Juli 1908.

45 Alte Herren der Hannovera traten dem Hausbauverein alsbald bei. Als Vorstandsmitglieder wurden Rechtsanwalt und Notar Karl Riekes in Seesen, Geheimer Regierungsrat und Direktor der Nationalbank für Deutschland AG Richard Witting in Berlin sowie Referendar Felix Hans in Berlin gewählt. Und dann passierte etwas, das man der Hannovera kaum zugetraut hätte: Über die Frage, ob einem Neubau oder einem vorhandenem Gebäude der Vorzug zu geben sei, wurde nicht mehr lange debattiert, sondern innerhalb von zwei Tagen entschieden, nachdem man das zum Verkauf stehende Haus Herzberger Chaussee 9 besichtigt hatte.

Der Testamentsvollstrecker der Diltheyschen Erben, Justizrat Dr. Emil Beyer aus Göttingen, sowie die Vorstandsmitglieder des Hausbauvereins, Karl Riekes und Felix Hans, schlossen am 29. Juli 1908 einen Kaufvertrag über das Hausgrundstück Herzberger Chaussee 9, der nur fünf Paragraphen enthielt und damit von bemerkenswerter Kürze war.

Der Kaufpreis betrug 42.500 Mark. Damit lag er weit über dem Betrag, der anlässlich des Eigentumsüberganges 13 Jahre zuvor zu entrichten war. Ob es eine allgemeine Preissteigerung für Grundstücke in dem genannten Zeitraum gab, ob Prof. Dr. Dilthey wertsteigernde Verbesserungen an Haus und Garten vorgenommen hatte oder ob Dr. Emil Beyer das nötige Verhandlungsgeschick besaß, darüber gibt es keine Erkenntnisse – denkbar ist auch, dass alle drei oder noch mehr Ursachen ausschlaggebend waren.

Vom Kaufpreis waren bis zur Auflassung 15.000 Mark in bar zu zahlen. Die restlichen 27.500 Mark sollten ab 1. Oktober 1909 in Raten zahlbar sein, aber bereits ab 1. Oktober 1908 mit 4 % verzinst werden. Zur Sicherung des Restkaufpreises wurde vereinbart, dass zum letztgenannten Zeitpunkt eine Hypothek zu Gunsten der Diltheyschen Erbengemeinschaft an erster Stelle im Grundbuch eintragen wird. Der Besitz an dem Grundstück sollte ebenfalls am 1. Oktober 1908 übergehen, allerdings war der Hausbauverein berechtigt, ab 1. September 1908 Erkundigungen im Erdgeschoss sowie an den Seitenwänden des Hauses einzuziehen, ob und ggf. wie man bauliche Veränderungen vornehmen könne, um das gekaufte Objekt als Verbindungshaus zu nutzen.

Zwei Tage später begaben sich die Vertragsparteien zu Justizrat Adolf Eckcl, der Notar in Göttingen war, und ließen den abgeschlossenen Kaufvertrag notariell beglaubigen. Am 1. Oktober 1908 suchte Justizrat Dr. Emil Beyer das Grundbuchamt in Göttingen auf. Noch am gleichen Tage erfolgten die Auflassung und die Eintragung der Hypothek.

Hannovera war nun interessiert, die notwendigen baulichen Veränderungen schnellstmöglich zum Abschluss zu bringen. Die jetzige Kneipe entstand, indem man eine Zwischenwand etwa in Höhe des Kachelofens herausnahm. Auch zur kleinen Kneipe hin wurde die Wand entfernt und durch die Schiebetür ersetzt. Vor diesem Raum entstanden die Veranda und davor die Terrasse. Zum Garten hin wurde der Anbau erweitert. Außerdem musste das Haus mit Möbeln, Einrichtungsgegenständen, Gardinen usw. versehen werden. Für Umbau- und Neubeschaffungen wurden nicht wie veranschlagt 13.000 Mark, sondern 16.000 Mark ausgegeben. Dabei ging man äußerst sparsam zu Werke. Bestimmte Vorstellungen der Aktiven, was alles zur Einrichtung eines Korporationshauses gehöre (z. B. ein Billardzimmer), stießen beim Kassenwart der Altherrenschaft bzw. beim Hausbauverein ohnehin auf taube Ohren.

Im Herbst 1908 musste der Hausbauverein insgesamt 32.500 Mark aufwenden, um die Forderungen der unterschiedlichen Gläubiger zeitgerecht zu erfüllen. 15.000 Mark betrug die Anzahlung auf den Kaufpreis, für den Hauskauf waren 1.500 Mark an Nebenkosten zu begleichen, und für den Hausumbau sowie die Anschaffung der Möbel benötigte man 16.000 Mark. Der Hausbauverein verfügte nicht über das erforderliche Kapital. Zwar hatte er im Herbst 1908 nominell Einkünfte aus gezeichneten Stammanteilen sowie aus zugesagten einmaligen Spenden seiner Mitglieder in Höhe von 22.800 Mark, aber einige hatten erklärt, ihren Stammanteil erst später zu bezahlen bzw. erst 1909 die Spende zu entrichten. So verfügte der Hausbauverein im Herbst 1908 nur über einen Betrag von 19.600 Mark. Die Altherrenkasse sprang mit einem zinslosen Darlehen in Höhe von 4.600 Mark ein, aber das reichte immer noch nicht.

Alter Herr Richard Witting, bei der Hannovera als vermögend und spendabel bekannt, erklärte sich bereit, die fehlenden 10.000 Mark zu stiften. Der Vorsitzende des Hausbauvereins, Karl Riekes, schlug dieses hochherzige Angebot jedoch aus mit der Begründung, die Hannovera dürfe nicht zu sehr in der Dankesschuld gegenüber einem Einzelnen stehen. Er besorgte eine Bankschuld von einem Bankier in Seesen, und somit konnte der Hausbauverein alle Forderungen termingerecht begleichen.

Alter Herr Karl Riekes bezeichnete die Bankschuld als Klotz, der schleunigst beseitigt werden müsse. Grund hierfür war wahrscheinlich der vereinbarte Zinssatz, und dessen Höhe ergab sich mutmaßlich daraus, dass das Darlehen nicht dinglich gesichert war. Mutmaßen kann man weiterhin, dass ein Zusammenhang bestand zwischen der in Seesen besorgten Bankschuld und zwei weiteren Darlehensaufnahmen, die der Hausbauverein im Jahre 1911 tätigte. Da keine neuen, außergewöhnlichen Verpflichtungen auf den Hausbauverein zugekommen waren, wird man das neuerdings geliehene Geld wohl benutzt gaben, um die Bankschuld zu tilgen. Jedenfalls reichte, wie sich aus dem Grundbuch ergibt, Karl Riekes unter dem 12. Mai 1911 zwei im Wesentlichen gleichlautende Schuldurkunden ein und bat, zwei Hypotheken ranggleich einzutragen, was bereits vier Tage später erfolgte. Die beiden Vorstandsmitglieder des Hausbauvereins, Dr. Felix Hans, Gerichtsassessor a. D. in Berlin, sowie Justizrat Adolf Senff, Rechtsanwalt und Notar in Berlin, hatten in den Schuldurkunden bestätigt, dass zum einen Karl Riekes, zum anderen Richard Witting dem Hausbauverein jeweils 6.000 Mark zum Zinssatz von 4 % geliehen hatten.

Als 1914 der Krieg ausbrach, wurde Karl Riekes alsbald Soldat. Er war zu diesem Zeitpunkt über 40 Jahre alt und Hauptmann der Landwehr. Ehe seine Artillerieeinheit in Frankreich zum Einsatz kam, setzte er am 22. Februar 1915 sein Testament auf. Da seine Frau bereits verstorben war, sollten seine beiden Töchter zu je einem halben Anteil seine Erben sein. Die ältere Tochter Margret (geboren 1900) lebte damals in Kattenbühl bei Hannoversch Münden, die jüngere Tochter Gertrud (geboren 1905) in Weißen Hirsch bei Dresden. Am 16. Mai 1916 starb Karl Riekes in einem deutschen Kriegslazarett in Le Cateau (Frankreich).

Während der Inflation nach dem 1. Weltkrieg fiel es Darlehensnehmern leicht, die geliehenen Beträge zurückzuzahlen. Auch der Hausbauverein tilgte Ende des Jahres 1922 die Darlehen, die ihm die Bundesbrüder Richard Witting sowie Karl Riekes gewährt hatten. Außerdem beglich er den Restkaufpreis gegenüber den Diltheyschen Erben. Der Testamentsvollstrecker für den Nachlass des Prof. Dr. Dilthey übersandte dem Vorsitzenden des Hausbauvereins alsbald eine Löschungsbewilligung für die entsprechende Hypothek, welche antragsgemäß gelöscht wurde.

Die Möglichkeit, nach der sich Darlehensnehmer in der Inflationszeit relativ einfach von ihren Verbindlichkeiten befreien konnten mit der Folge, dass auch eine dingliche Sicherung der Forderung plötzlich nichts mehr wert war, wurde allgemein als ungerecht empfunden. Deshalb erließ der preußische Landtag am 16. Juli 1925 das Aufwertungsgesetz. Darlehen, die in (Gold-)Mark gewährt und ganz oder teilweise während der Inflationszeit getilgt waren, lebten zu einem bestimmten Prozentsatz wieder auf. Für eine zur Sicherung eines Darlehens bestellte Hypothek galten ähnliche Regelungen, d. h. der frühere Hypothekar konnte beim Grundbuchamt beantragen, dass eine so genannte Aufwertungshypothek erneut im Grundbuch eingetragen wurde, selbst wenn die ursprüngliche Hypothek zwischenzeitlich schon gelöscht worden war.

Der Testamentsvollstrecker Justizrat Dr. Emil Beyer erreichte, dass für die Diltheyschen Erben eine Aufwertungshypothek in Höhe von 6.861,42 RM im Grundbuch zu Lasten des Grundstückes Herzberger Landstraße 9 eingetragen wurde. Richard Witting war am 20. Dezember 1923 verstorben. Seine Erben machten von der Möglichkeit, eine Aufwertungshypothek zu erhalten, keinen Gebrauch. Anders verhielt es sich mit den Erbinnen von Bundesbruder Karl Riekes. Auf ihren Antrag hin wurde die noch auf den Namen Karl Riekes lautende Hypothek in Höhe von 6000 Mark aus dem Jahre 1911 in eine Aufwertungshypothek von 1.500 RM umgewandelt. Somit musste der Hausbauverein weiterhin Schulden tilgen.

Der Restkaufpreis für das Haus muss kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges bezahlt worden sein, jedenfalls erteilte der Testamentsvollstrecker, nunmehr ein Rechtsanwalt und Notar Dr. Herbert Beyer in Göttingen, am 14. März 1945 die Löschungsbewilligung und übersandte sie an Bundesbruder Dr. Felix Hans, der sie auch erhielt. Die Löschung der Hypothek erfolgte allerdings erst 1950.

Wann die Schuld getilgt war, die der Aufwertungshypothek in Höhe von 1.500 RM zu Grunde lag, wird aus den Grundbuchakten nicht ersichtlich. Erst 1962 bewilligten die Erbinnen unseres Alten Herrn Karl Riekes die Löschung der in Rede stehenden Aufwertungshypothek. Den Entwurf des Textes der Löschungsbewilligung hatte offensichtlich das Büro unseres früheren Altherrenvorsitzenden Rechtsanwalt und Notar Dr. Rudolf Hoffmann in Hannover geschrieben. Er übersandte diesen Entwurf an Frau Margret Wentzler geborene Riekes in Hannoversch Münden, die einem dortigen Notar zwecks Unterschriftsbeglaubigung aufsuchte, dessen Tätigkeit zu vergüten war. Der Wert der Angelegenheit wurde mit 150,00 DM festgesetzt. Für die Beglaubigung der Unterschrift fiel in diesen Fall eine Gebühr von 3 DM an. Hinzu kam die Umsatzsteuer in Höhe von 0,12 DM, so dass insgesamt 3,12 DM zu entrichten waren.

Frau Wentzler schickte dann das Dokument ihrer Schwester Frau Gertrud Ludwig geborene Riekes, die in Riesa (Sachsen) lebte. Auch sie suchte einen Notar auf, dessen Dienstsiegel in der Mitte das Wappen der DDR trug. Im oberen Halbrund standen die Wörter „DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK“. In der DDR galt eine völlig andere Kostenordnung für Notare als in der Bundesrepublik Deutschland. Bei der Wertfestsetzung kam der Notar in Riesa auf 750,00 DM (Ost), allerdings war die Gebühr dafür relativ niedrig. Es fielen nämlich nur 2,00 DM Ost sowie 0,06 DM Ost Umsatzsteuer an.

Mit dieser Löschungsbewilligung versehen beantragten die beiden damaligen Vorstandsmitglieder des Hausbauvereins, Dr. Hans Bickel und Dr. Gustav Hotopp, am 8. Juni 1963 die Löschung der Hypothek im Grundbuch. Der vormalige Altherrenvorsitzende, Rechtsanwalt und Notar Dr. Rudolf Hoffman, hatte ihre Unterschriften notariell beglaubigt.

Wer nun glaubte, die Angelegenheit könne kurzfristig beendet werden, sah sich getäuscht. Plötzlich wusste niemand mehr, wo der Hypothekenbrief abgeblieben war. Also musste ein Aufgebotsverfahren durchgeführt werden. Das Aufgebot wurde „durch Einrückung in dem Bundesanzeiger vom 12. Juli 1963“ sowie durch „Anheftung an die Gerichtstafel des Amtsgerichts Göttingen vom 19. Juli bis zum 16. Dezember 1963“ bekannt gemacht. Natürlich verlief das Aufgebotsverfahren ergebnislos. Am 17. Dezember 1963 erließ das Amtsgericht Göttingen in Sachen des Hausbauvereins ein Ausschlussurteil, durch das der verloren gegangene Hypothekenbrief für kraftlos erklärt wurde. Die Löschung der Hypothek erfolgte im Januar 1964.

Damit war die lange Episode endlich zum Abschluss gekommen. Das Grundstück war frei von Belastungen, und so konnte 1965 der Stadtsparkasse Göttingen zur Sicherung eines Kredites über 15.000 DM eine Grundschuld bestellt werden, die an erster Stelle rangierte.

Henning Tegtmeyer (WS 1961/62)



Quelle: Guugel Mäpps



(*) Anmerkung: Die Silberlinde ist vor einigen Jahren trotz Sicherungsmaßnahmen zum Opfer eines starken Sturmes geworden und hat im Fallen die östlich stehende Kastanie mitgerissen. Beide Bäume stehen nicht mehr.



(ks 12/2023)