Moritat eines „DOKO“-Unkundigen

Moritat eines „DOKO“-Unkundigen Grünen

  1. Ach, wir armen Geisteskranken,
    viere an der Zahl
    woll’n uns um die Karten ranken,
    jetzt und heut‘ und allemal.
  2. Ernst das Auge, blaß die Wangen,
    in Examensnot befangen,
    dennoch an den Tisch gegangen,
    wo die abgewetzten Karten
    füllen aus des Geistes Scharten.
  3. Still gerührt — den Blick umflort,
    sitzt der Leibbursch in der Ecke,
    still im Aug‘ erglänzt die Träne,
    seine Hand, die ist verdorrt.
  4. Sein Bemühen und sein Bangen
    Sind ja nicht umsonst gewesen,
    auch der Fux hat angefangen,
    heil’ges Brauchtum fortzusetzen
    und die Karten abzuwetzen,
    — wie die Alten sungen.
  5. „Jeder guckt in seine Karten!“
    tönt der Regel erste Nummer.
    „Hast du einen?“ heißt es weiter.
    So ein Spiel ist gar nicht heiter
    und bereitet Kummer.
  6. Sonnenhitze, Hagelschauer,
    Schnee und Eis und Studiensorgen?
    „Mensch, was soll denn jetzt der Bauer ?“
    („Kannst du mir noch zwei Mark borgen ?“)
  7. „Spielt der Kerl doch Karo aus!“
    flucht der Kontra-Mann vernehmlich.
    Und der Fux ist ganz verzweifelt,
    denn sein Leibbursch schaut ganz grämlich.
  8. „Nur ein Stündchen!“ hieß es heiter,
    doch ein Stündchen dauert lange an der Doko-Zeit gemessen
    Ach, nun muß man auch zum Essen,
    doch nachher geht’s weiter!
  9. Ernst das Auge, blaß die Wangen,
    Essen schnell hineingeschlungen,
    an den Doko-Tisch gegangen
    — wie die Alten sungen.
  10. Aus dem Stündchen ward ’ne Stunde.
    Leise setzt‘ ich mich daneben,
    teilzuhaben an der Runde,
    die nun prägt das Bundesleben.
  11. Stund‘ um Stunde rückt der Zeiger
    vorwärts auf dem Zifferblatt.
    Doch verbissen drischt man weiter.
    Hieb und Stich — man wird nicht matt.
  12. Mir, der ich kein Doko kann,
    tut das Herz erbeben.
    „Also, wenn du Re-Mann bist,
    kannst du was erleben!“
  13. Ehrfurchtsvoll mit stiller Andacht
    sehe ich in der Stirne Falten
    und den Mund, der niemals lacht
    und des Geist’s Erkalten.
  14. Als die Uhr dann zwölfe schlug,
    schlich ich mich von hinnen.
    Denn ich hatte nun genug, konnte nun beginnen,
    über Wunder nachzudenken,
    die im Grünenhaus geschehen,
    wo der Doppelkopf tut lenken
    und Examina doch entstehen.
  15. Nein, ich hab‘ es nicht verstanden,
    dieses Wunder unsrer Neuzeit.
    Meine Tränen nie versanden
    und mein Herz erstickt im Leid.
    0, ich armer sapiens homo,
    der dies Wunder nicht versteht.
    Geist der Neuzeit — lehr mich Doko!
    Ob es mir dann besser geht ?

Norbert Stroicz (WS 1966/67)





Epilog auf eine Moritat, bei der 15 Strophen zu viel waren


  1. Ach, da hat doch neulich einer,
    der fünfte an der Zahl,
    einem Doko zugesehen,
    — hoffentlich zum letzten Mal.

  2. Den Blick verhangen, rot die Wangen,
    durch Unkenntnis leicht befangen,
    ist er an den Tisch gegangen,
    wo vier Spieler in der Runde
    beherzigten die Doko-Kunde.

  3. Still gerührt ließ man ihn schauen,
    dieses tumbe Kiebitzlein
    Zu einem homo sapiens
    will man ja kein Unmensch sein.

  4. Eine Träne kam ins Rollen,
    weil er nicht kennt das Spieles Witz.
    Doch, man hätte weinen sollen;
    denn bei der frohen Spielerei
    vergaß man eines: Dieser Kiebitz
    entschlüpfte einem Kuckucksei!

  5. Schon der Regel erste Nummer
    bereitete ihm großen Kummer,
    so daß er, was nicht wird verstanden,
    des Doko-Spieles ganz unkundig,
    die Burschenprüfung hat bestanden.

  6. Geist der Neuzeit, der modernen Welt,
    ja, Du hast Dich eingestellt;
    doch wie konntest Du es machen,
    daß man ganz profane Sachen
    heute schon für heilig hält?

  7. „Spielt der Kerl doch Karo aus!“
    flucht der Kontra-Mann vernehmlich.
    Nun, für einen Kontra-Mann
    war das Spiel auch dämlich!

  8. Der Schreiber sieht hier erste Zeichen
    für einen guten Stand der Weichen
    in der Entwicklung günst’gen Lauf,
    — er gibt die Hoffnung noch nicht auf.

  9. Denn wer weiß, daß er als Kontra-Mann
    nicht gleich Karo spielen kann,
    — Winzersche Regel Nummer drei
    — der wird vielleicht noch allerlei.

  10. Ein Kartenständer gar vielleicht,
    falls er es je einmal erreicht,
    vom Doko etwas mehr zu halten
    als des Geists Erkalten.

  11. Der Skribent will sich verdingen,
    dem Bänkelsänger beizubringen,
    die Doko-Regeln nach der Reihe.
    Dem wird dann das Herz erbeben
    als Teilnehmer am Bundesleben!

  12. Nur ein Stündchen zu Beginn,
    ein Stündchen dauert nicht so lange
    an der langen Nacht gemessen,
    und allerhöchstens bis zum Essen;
    denn mehr hat anfangs keinen Sinn.

  13. Ehrfurchtsvoll mit stiller Andacht
    sind gerötet seine Wangen,
    und sein Mündchen, wie es lacht,
    wenn er einen Fuchs kann fangen,
    indem sein Karlchen, wohlbesetzt,
    macht den Stich zu guter Letzt.

  14. Wenn er bei seinem ersten Lüstling
    unsicher noch die Karten wählt,
    mit mehr Respekt als vor Examina
    und doch bis hunderteinundzwanzig zählt,
    dann ist der Neuzeit Wunder da!

  15. Nein, ich hab ihn nicht verstanden,
    den Sänger dieser neuen Zeit.
    Meine Tränen nicht versanden,
    und mein Herz erstickt im Leid.
    0, der arme sapiens homo,
    der die Karten nicht versteht.
    Bundesbrüder — lehrt ihn Doko,
    damit es ihm bald besser geht!

Henning Tegtmeyer (WS 1961/62)




Nekrolog auf einen Juristen

Wenn einer, der mit Mühe kaum
verwirklicht hat den Jura-Traum,
gleich meint, daß er auch Dichter wär,
so irrt sich der!

Blickt man in die letzte Nummer
unsrer alten Grünen-Zeitung,
schnürt das Herz sich zu vor Kummer
angesichts der Hirnerweichung,
die sich deutlich spürbar macht,

wenn nach jahrelangem Doko
ein Jurist in Dichtkunst macht.
Vollgepfropft mit Paragraphen,
zerebral sehr mitgenommen,
konnt‘ der arme Mensch nicht schlafen,
hat ein Blatt zur Hand genommen.

Ungetrübt von jedem Wissen
aus dem Reich von Kunst und Witz,
hat am Bleistift er gebissen
—nie kam ein Gedankenblitz.

Epilog nennt er sein Machwerk,
ohne dieses Wort zu kennen,
quält sich durch der Sprache Fachwerk,
will sich sogar Künstler nennen.

Fünfzehn bandwurmlange Strophen
aus der dünnen Großhirnrinde
dieses armen Philosophen
sind ein magres Angebinde.

Holpernd quälen sich die Zeilen,
schwerlich läßt ein Reim sich finden.
bald wird ihn sein Los ereilen,
und der arme Geist ganz schwinden.

Hat der arme Mensch wahrhaftig
jenen kranken Spleen besessen
und den Doko-Geist leibhaftig
ganz in sich hineingefressen?

Diesen tumben Pseudo-Dichter
soll man wirklich nicht beweinen,
seines Geistes trübe Lichter
haben aufgehört zu scheinen.

Dunkler ist es nun geworden
in des Großhirns krauser Windung.
Schenkt ihm doch den Doko-Orden
und befreit ihn von der Bindung
dieser Kartenspielerei

denn es reicht Juristerei!

Norbert Stroicz (WS 1966/67)




(ks-9/2019)